Wie funktioniert eigentlich die Schilddrüse? Zu hundert Prozent war diese Frage lange nicht geklärt. Bis jetzt. Wissenschaftler der Universität Leipzig haben herausgefunden, wie die Produktion von Hormonen in der Schilddrüse molekular reguliert wird.

Unzählige Menschen auf der ganzen Welt leiden an einer Schilddrüsenerkrankung. Am häufigsten treten Über- oder Unterfunktionen auf. Die Betroffenen wissen es oft gar nicht. Fehlfunktionen können zu Herzrhythmusstörugnen, Gewichtsproblemen, Unfruchtbarkeit oder psychischen Störungen führen.

Die Hauptaufgabe der Schilddrüse ist die Produktion von Hormonen. Unter normalen Bedingungen wird sie durch das Schilddrüsen-stimulierende Hormon TSH reguliert. TSH bindet an einen speziellen Rezeptor, den TSH-Rezeptor, der sich an der Oberfläche von Schilddrüsenzellen befindet. Dieses TSH-Signal führt zu einer Produktion und Freisetzung von Schilddrüsenhormonen, genannt Thyroxin und Triiodthyronin.

Schilddrüse kann unkontrolliert aktiviert werden

Diese beiden Hormone sind für nahezu alle Prozesse im Körper – Stoffwechsel, Entwicklung und Wachstum, Reproduktion – essentiell. Manchmal jedoch können auch Autoantikörper oder Mutationen, die die gleiche Wirkung auf den TSH-Rezeptor haben, die Schilddrüse unkontrolliert aktivieren. Dies führt dann zu einer übermäßigen Hormonproduktion mit zum Teil fatalen Folgen für den Gesamtorganismus.

Ein Wissenschaftlerteam vom Institut für Biochemie der Medizinischen Fakultät an der Universität Leipzig hat sich nun die Frage gestellt, wie TSH, Autoantikörper und Mutationen unabhängig voneinander die gleiche aktivierende Wirkung auf die Schilddrüse haben können. Die Antwort dafür lag im TSH-Rezeptor selbst.

"Wir fanden eine kurze Peptidsequenz – wir nennen diese p10, da sie aus zehn Aminosäuren besteht – innerhalb des TSH-Rezeptors. Bei Bindung des TSH oder von Autoantikörpern funktioniert diese interne Sequenz als Aktivator für den Rezeptor. Der Rezeptor schaltet sich also selber an, wenn TSH, ein Autoantikörper oder eine Mutation ihn dazu bewegen", sagt Studienleiter Schöneberg. "Bei den meisten anderen Hormon-Rezeptorsystemen im Körper aktiviert das Hormon den Rezeptor direkt", erklärt die Nachwuchswissenschaftlerin und Erstautorin der Arbeit, Antje Brüser.

Forschung ebnet Weg für neue Medikamente

Diese neu gewonnenen Informationen über den Mechanismus des An- und Ausschaltens dieser Rezeptorfamilie können Wissenschaftler nutzen, um gezielt therapeutische Substanzen zu entwickeln. "Zum Beispiel ist es uns gelungen, mit modifizierten p10 Peptiden die Aktivierung des TSH-Rezeptors durch Autoantikörper zu blockieren. Auch wenn man diese Peptide noch nicht therapeutisch einsetzen kann, so zeigen sie, dass es prinzipiell möglich ist, solche Rezeptorfehlfunktionen direkt zu beeinflussen", erläutert Schöneberg. Diese Ergebnisse machen es in Zukunft möglich, Medikamente zu entwickeln, die bei Schilddrüsenerkrankungen und Fertilitätsstörungen eingesetzt werden könnten. (idw, red, 11.1.2016)