Wien – Die vor zwei Jahren zur Eindämmung der Invaliditätspension eingeführte Reform beschäftigt die Gerichte. Kern der Umstellung war, dass (damals) unter 50-jährige Berufsunfähige auf Rehabilitation oder Umschulung gehen sollen anstatt in dauerhafte Invaliditätspension. Damit soll eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erreicht werden.
Der Oberste Gerichtshof hat der neuen Regelung aber enge Grenzen gesteckt. In einer außerordentlichen Revision hat das Höchstgericht einen Fall eines Beschwerdeführers (Jahrgang 1966) behandelt, der eine Berufsunfähigkeitspension anstrebte. Dieses Ansinnen hatte die Pensionsversicherungsanstalt per Bescheid abgelehnt, Landesgericht St. Pölten und Oberlandesgericht Wien bestätigten deren Rechtsansicht. Das OLG legte noch ein Schäufelchen nach und sprach auch Ansprüche auf Rehageld und Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation ab, weil der Beschwerdeführer nur die Gewährung einer unbefristeten Berufsunfähigkeitspension beantragt habe.
Urteile aufgehoben
Der OGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf. Für den Rechtsvertreter des an Depression sowie den Folgen eines Schiunfalls leidenden Beschwerdeführers, Heinz-Dieter Schimanko, ist das ein "wichtiger Schritt. Es hat keinen Sinn, jemanden zu traktieren und die Wiedereingliederung zu erzwingen, die nicht möglich ist", sagt er zum Standard. Bei der Reha müsste sich der Patient einer zweijährigen Behandlung unterziehen, zu der u. a. eine Psychotherapie im Zweiwochenrhythmus zählt, hatte die PVA festgestellt.
Eine Sprecherin der Anstalt betont, dass der Bescheid nicht aufgehoben worden sei, sondern der OGH die Urteile der Instanzen aus formalen Gründen an das Erstgericht zur neuerlichen Behandlung zurückverwiesen habe. Allerdings hat das Höchstgericht dabei klare Vorgaben gemacht: Um die – dauerhafte – Berufsunfähigkeit zu verneinen, reicht die Einschätzung einer "möglichen Besserung" des Gesundheitszustandes nicht. Vielmehr müsse die Genesung wahrscheinlich sein. Und genau diese Feststellung habe das Erstgericht nicht getroffen.
Keine bahnbrechende Neuerkenntnis
Die Relevanz der Judikatur liegt dabei auf der Hand: Jährlich gibt es mehr als 70.000 Anträge auf Zuerkennung der Invaliditätspension (oder deren Verlängerung). Mehr als 14.000 Fälle wurden allein 2014 nach negativem Bescheid gerichtlich entschieden.
Universitätsprofessor Wolfgang Mazal sieht in der neuen Entscheidung keine bahnbrechende Neuerkenntnis, was schon mit der damaligen Reform verbunden sei. Im Vordergrund stehe der "statistische Effekt im Hinblick auf die Anhebung des Pensionsantrittsalters", erklärt der Sozialrechtsexperte. Er verweist auch auf das seiner Meinung nach grundlegende Problem im Verständnis der Öffentlichkeit, dass man "in die volle Breite des Arbeitsmarkts" rehabilitiert werden sollte. Dabei wurde der Berufsschutz durch die Reform nicht verändert, so Mazal. (Andreas Schnauder, 12.1.2016)