Beim Arbeitsmarktservice wird das Gedrängel noch etwas größer werden. Sozialminister Hundstorfer rechnet heuer mit noch einmal 30.000 Neuzugängen von Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten am Arbeitsmarkt.

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Wien – Die Herausforderung könnte kaum größer sein. Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist auf einem Rekordniveau, die Konjunktur lahmt und immer mehr Menschen drängen auf den Jobmarkt. Darunter sind auch insbesondere jene Flüchtlinge, die in der jüngeren Vergangenheit nach Österreich gekommen sind und hier Asyl erhalten haben.

Aber wer sind diese Menschen eigentlich, wie gut sind sie ausgebildet, also welche Voraussetzungen bringen sie mit, um am Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können? Zu diesen Fragen gab es bisher kaum valide Datensätze.

Umfassende Untersuchung

Seit Dienstag ist das anders: Das Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) hat die bisher umfassendste Untersuchung darüber präsentiert, wer die Flüchtlinge im Land sind. Zwischen August und Dezember 2015 wurden rund 900 anerkannte Flüchtlinge vom AMS einem Kompetenzcheck unterzogen. Einige der Ergebnisse der Tests fielen überraschend aus.

Das AMS hat im September eine erste Schätzung über die Qualifikationen der Flüchtlinge vorgelegt. Damals ging man davon aus, dass 15 Prozent der anerkannten Asylwerber über einen Lehrabschluss verfügen oder sogar eine höhere Ausbildung absolviert haben.

Die neuen Daten legen nahe, dass diese Zahl zu niedrig angesetzt war. Laut AMS weisen besonders die Flüchtlinge aus dem Irak, Iran und Syrien einen hohen Bildungsgrad auf.

Viele Akademiker

So besitzen rund 90 Prozent der Teilnehmer am Kompetenzcheck aus dem Iran eine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung; bei Syrern liegt dieser Schnitt bei fast 70 Prozent. Auch der Akademikeranteil ist unter Iranern, Syrern und Irakern sehr hoch. So verfügen 40 Prozent der Flüchtlinge aus dem Iran und dem Irak über einen Studienabschluss.

Diese Zahlen legen nahe, dass der Ausbildungsgrad unter diesen Gruppen jene der Österreicher übersteigt. Laut Statistik Austria haben 15 Prozent der Österreicher einen Hochschulabschluss.

Nicht repräsentativ

Freilich sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen. So ist die Untersuchung wie AMS-Chef Kopf betonte, nicht repräsentativ. Für den Kompetenzcheck konnten AMS-Betreuer interessierte Flüchtlinge nominieren. Zudem wurden nur anerkannte Flüchtlinge dem Check unterzogen. Das liegt daran, dass Asylwerber, die im Land bleiben dürfen, automatisch beim AMS landen, wenn sie nicht gleich einen Job finden und die Mindestsicherung beziehen wollen.

Einen Hinweis darauf, dass der Bildungsgrad unter den Flüchtlingen niedriger ist, die seit dem Sommer gekommen sind, gibt es laut Kopf nicht.

Integration nicht leicht

Der AMS-Chef betonte auch, dass die Chancen am Arbeitsmarkt zwar theoretisch höher sind, wenn jemand über eine Ausbildung verfügt. "Zu glauben, dass die Integration damit aber schon leicht wird, wäre ein großer Fehler." Denn die Flüchtlinge sprechen die Sprache kaum und verfügen nur in seltenen Fällen über jene sozialen Netzwerke, die bei der Jobsuche hilfreich sein können. Hinzu kommt, dass viele von ihnen traumatisiert sind. Auch verfügt nur rund jeder Dritte der getesteten Asylwerber über ein offizielles Dokument aus seinem Heimatland, dass den Bildungsgrad formal belegen würde.

Die Zahlen des AMS zeigen auch deutlich, wie heterogen die Gruppe der Flüchtlinge ist. Denn die Afghanen sind besonders schlecht ausgebildet: Rund ein Drittel von ihnen hat keine Schule besucht, etwa ein Zehntel sind Analphabeten. Eine der hitzig diskutierten Fragen bei der Präsentation der AMS-Zahlen war, wie valide die Daten sind. Oft einzige Auskunftsquelle für das AMS waren die Flüchtlinge selbst.

Keine Zweifel an Angaben

Der Kompetenzcheck besteht aus biografischen Fragen. Die Menschen sollten angeben, welche Ausbildungen sie absolviert haben, in welchen Berufen sie gearbeitet haben. Bei handwerklichen Berufen wurden oft praktische Tests absolviert. Laut Kopf und AMS-Wien Chefin Petra Draxl gibt es keinen Grund dafür, dass sich die Asylwerber als überqualifiziert dargestellt haben könnten – "man hat ihnen gesagt, dass korrekte Angaben wichtig sind, weil dies ihre Integration erleichtern wird".

Aktuell sind 21.000 Asylwerber oder subsidiär Schutzberechtigte in Österreich beim AMS als arbeitslos vorgemerkt. Sozialminister Rudolf Hundstorfer erwartet, dass heuer weitere 30.000 Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt drängen. (András Szigetvari, 12.1.2015)