Wir lebten von 2004 bis 2009 in Singapur. Oder besser gesagt: schwitzten. Denn es war eigentlich immer heiß. Schon frühmorgens, wenn unsere drei Töchter zum Schulbus trotteten, schien die gleißende Sonne unbarmherzig vom Himmel. Mittags verkroch man sich in den Schatten oder in einen Raum mit Klimaanlage und abends begann dann das sportliche Leben. Ich laufe gerne und es hatte für mich einen ungemeinen Reiz, im Finsteren unter Palmen zu joggen – bei immerhin noch etwa 28 Grad im Jahresdurchschnitt.
Schlangen als Gäste
Singapur besteht aus der Hauptinsel und rund 60 kleinen Inselchen. In unseren fünf Jahren Aufenthalt haben wir aber nur drei davon kennengelernt – die Hauptinsel, auf der wir wohnten, die Strandinsel Sentosa im Süden und Pulau Ubin im Osten, die sich gut zum Radfahren eignet. Die dicht bevölkerte Hauptinsel ist nicht nur mit vielen Wohn- und Geschäftsgebäuden und einem ausgeklügelten Straßennetz überzogen, es gibt auch tropische Parks und Gärten.
In unserem kleinen privaten Garten rund um unser gemietetes Haus in der Jalan Pandan wuchs alles, was wir in die Erde steckten – es sah aus wie in einem Dschungel. Schlangen wurden zu ganz normalen Gästen, bald wussten wir auch ungefähr Bescheid, welche gefährlich und welche einfach nur schön anzusehen waren.
Hohe Schulgebühren
Unsere älteste Tochter besuchte das United World College of South East Asia, das damit wirbt, eine der besten Schulen weltweit zu sein. Dem Arbeitgeber meines Mannes hatten wir es zu verdanken, dass sie einen Schulplatz bekam. Denn die laufenden Schulgebühren sind astronomisch hoch. Zusätzlich muss man eine Art Grundinvestition tätigen, damit man überhaupt einen Platz erhält.
Unsere beiden jüngeren Kinder haben die German European School besucht, die auch einen sehr guten Ruf hat. Der Start war besonders für die Jüngste in der ersten Klasse richtig hart, da uns ihr Klassenlehrer beim Elterngespräch das Feedback gab, dass sie weit hinten sei und im Unterricht schwer mitkomme. Es hat sich dann allerdings herausgestellt, dass sie einfach nur schlecht sah. Nachdem sie eine Brille bekommen hatte– übrigens eines der wenigen Produkte, das in Singapur günstiger als in Österreich ist –, wurde sie schnell zu einer guten Schülerin.
Kinder stark gefördert
Kinder in Singapur werden von ihren Eltern vom Babyalter an in alle Richtungen gefördert – beispielsweise zur Mehrsprachigkeit –, und fast alle lernen ein Musikinstrument wie Klavier oder Violine und besuchen Afternoon Activities wie Tanz- und Kunstunterricht, kaum dass sie den Windeln entwachsen sind.
Meine Tochter war besonders gut im Musikunterricht. Sie hat sogar in einem Musicalprojekt mitgespielt und für einen Lehrer bei der Abschlussfeier vor den Sommerferien alleine einen Song auf der Bühne performt. Wie stolz und tränenreich war da die Mum. Das ist übrigens auch typisch Singapur – viele englische Wörter landen im aktiven Sprachgebrauch, egal in welcher Muttersprache man ursprünglich spricht.
Viele ausländischen Fachkräfte
Singapur führt in Asien und nimmt auch weltweit Spitzenplätze im Entwicklungsindex ein, wenn es etwa um Ausbildung, Gesundheitsvorsorge, Lebensqualität oder persönliche Sicherheit geht. Obwohl die Einkommensungleichheit hoch ist, besitzen etwa 90 Prozent der Bürger Wohnraum, und das Land hat eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen. Die kosmopolitische Nation beherbergte 2015 etwa 5,5 Millionen Einwohner, wovon aber nur etwa 60 Prozent dauerhafte Einwohner sind.
40 Prozent sind entweder sogenannte Expats, also Fachkräfte aus internationalen Unternehmen, die eine Zeit lang in Singapur leben, oder Foreign Workers, also kurzzeitige Arbeiter und Angestellte aus dem Ausland. Viele davon kommen aus umliegenden Ländern wie Indonesien oder von den Philippinen. Sie helfen den Singapurern vor allem dabei, den Alltag zu meistern – als Haushaltshilfen, Fahrer oder Straßenarbeiter.
Beide Elternteile berufstätig
Auch wir haben einen Arbeitsvertrag mit einer jungen philippinischen Frau abgeschlossen. Sie hieß Marylin und hat unseren gesamten Haushalt organisiert. Ohne sie wäre die Zeit nicht so gut verlaufen: Sie kannte sich mit lokalen Nahrungsmitteln aus, wusste, wie man mit Küchenschaben und Eidechsen in der Wohnung fertig wird und war außerdem sehr liebevoll zu den Kindern.
So eine Ersatzmama hat in Singapur fast jede Familie, denn der Wohlstand baut auf den Einkommen von zwei vollständig berufstätigen Elternteilen auf. Außerdem geht die Haushaltspflege nicht einfach so nebenbei mit – durch die hohe Luftfeuchtigkeit von über 90 Prozent ist man ständig am Wischen, Putzen und Lüften. Wir konnten das Haus beispielsweise nicht einfach für ein paar Wochen abschließen, wenn wir auf Home Leave nach Österreich geflogen sind. Innerhalb kürzester Zeit wäre alles verschimmelt und vermodert – ich habe bis heute noch ein paar Bücher mit braunen Papierseiten als Andenken an die hohe Luftfeuchtigkeit im Wohnzimmer behalten.
Optimale Balance
Die fünf Jahre in Singapur waren sehr schön, aufregend, lehrreich und horizonterweiternd. Singapur ist nicht nur eine Reise wert, es ist ein toller Ort, um Auslandserfahrung zu sammeln. Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass die Medien von der Regierung gesteuert werden und es zudem noch die Todesstrafe gibt.
Vielfältige kulturelle Einflüsse führen auch zu vielen Festen, egal ob chinesisch, malaiisch oder indisch. Diese bescheren allen mehrere Feiertage im Jahr. Dadurch ist Singapur ein äußerst attraktiver Ort, um Arbeitsleben und Freizeit optimal auszubalancieren. Ich habe an einem Business College gearbeitet – nie zuvor und nie mehr danach so viel in so kurzer Zeit. Aber ich habe auch unglaublich viel gelernt und es sehr genossen und kann jedem empfehlen – go southeast! (Maria Kalt, 11.2.2016)