
Am Freitag ist die Wikipedia 15 Jahre alt geworden.
Fast jeder kennt die Wikipedia. Sie wird genutzt als schnelles Nachschlagewerk, aber auch als Recherchemittel in verschiedensten Umfeldern. Am 15. Jänner 2001 wurde die Plattform von Jimmy Wales ins Leben gerufen.
Die kollaborativ betriebene Enzyklopädie ist laut alexa.com die siebentnachgefragteste Website der Welt, geschlagen nur von Größen wie Google, Facebook und Amazon. Alleine im Dezember generierte sie nach eigenen Angaben 14,4 Milliarden Zugriffe, wobei hier bereits die Crawler diverser Suchmaschinen und Dienste abgezogen wurden. Laut einer Studie des IT-Branchenverbands Bitkom recherchieren 79 Prozent der deutschen Internetnutzer Informationen über die "Wiki".
Von der Nupedia zur Wikipedia
Während zur Jahrtausendwende das Interesse an auf physischen Datenträgern vertriebenen Nachschlagewerken wie Microsoft Encarta und Encyclopaedia Britannica (die 2012 ihre gedruckte Ausgabe einstellte) stark im Sinken war, fand das Konzept eines freien, von den Autoren weitgehend selbstverwalteten und -regulierten Lexikons immer größeren Zuspruch.
Ursprünglich war die Plattform allerdings als eine Art Zusatzdienst für die Nupedia gedacht. Auf der Wikipedia hätten Artikel als Vorstufe für die von Wales gegründete und von dem Werbeunternehmen Bomis finanzierte Nupedia dienen sollen, sie entwickelte jedoch schnell eine Eigendynamik. Das lag freilich nicht nur an ihrem offenen Konzept, sondern auch an der Einfachheit ihrer Software, die auch ohne großes Vorwissen das Bearbeiten und Erstellen komplexerer Artikel ermöglicht. Schon im Gründungsjahr wurde das Angebot auf fünf weitere Sprachversionen – darunter Deutsch – ausgeweitet.
In fünf Jahren zu einer Million Einträge
2002 endete das finanzielle Engagement von Bomis. Es wurde festgelegt, dass das Angebot frei von kommerzieller Werbung bleiben sollte, die Domain der Startseite wurde in der Folge von .com auf .org geändert. Ein Aufsichtsteam formierte sich. 2003 wurde schließlich die Wikimedia Foundation gegründet, und die englische Ausgabe wies erstmals mehr als 100.000 Artikel auf. Im Jahr darauf wurde erstmals ein Wikipedia-Artikel in der offiziellen Begründung eines Gerichtsurteils zitiert.
2006 fanden sich erstmals eine Million Artikel auf der englischsprachigen Seite, die Siebenstelligkeit eröffnete der Eintrag über die Jordanhill-Bahnstation im Westen der schottischen Metropole Glasgow. Drei Jahre später erreichte schließlich auch die deutsche Ausgabe diesen Meilenstein.
Politik
Hinter den Kulissen des Projekts geht es mitunter hart zu. Insbesondere bei Einträgen zu politischen Themen entwickeln sich selbst bei kleinen Änderungen heftige Diskussionen unter den Autoren, derer es mittlerweile hunderttausende gibt. Das Klima der Auseinandersetzungen ist oft rau.
Bisweilen ist die Plattform aber auch selbst Teil politischer Aktionen. 2012 nahm man gemeinsam mit 7.000 anderen Seiten an einem "Internet-Blackout" teil, um gegen den Stop Online Piracy Act (Sopa) zu protestieren, der damals im US-Kongress begutachtet wurde. Das Gesetzespaket, das laut Kritikern umfangreiche Internetzensur ermöglicht hätte, wurde schließlich auf Eis gelegt.
Auch Gründer Jimmy Wales positioniert sich offen in manchen politischen Fragen. So gilt er als einer der größten Kritiker des von der britischen Regierung ersonnenen Pornofilters für Internetnutzer.
Kontroversen
15 Jahre Wikipedia brachten jedoch auch einige Kontroversen mit sich. Fälle von digitalem Vandalismus und erfolgreich manipulierten Artikeln führten zum öffentlichen Hinterfragen der Zuverlässigkeit der Wikipedia und zur Schaffung strengerer Kontrollmechanismen. Viele Seiten können mittlerweile nur noch bearbeitet werden, wenn der Nutzer auch über ein Autorenkonto bei der Wikipedia verfügt. Ausgangspunkt für eine breite Debatte war 2005 ein Eintrag über den US-Journalisten John Seigenthaler, laut dem dieser kurz verdächtigt worden war, an der Ermordung von John F. Kennedy beteiligt gewesen zu sein.
Bei einigen Themen raten Wissenschafter außerdem explizit davon ab, die Wikipedia als Basis für Angaben heranzuziehen. Themen wie saurer Regen, Klimawandel und die Evolutionstheorie stehen stark im öffentlichen Diskurs und sind Schauplatz sogenannter "Edit Wars". Forscher des Carly Institute of Ecosystem Studies stellten fest, dass die dazugehörigen Artikel oft zig Bearbeitungen pro Tag erfahren und der wissenschaftliche Konsens dazu mitunter völlig falsch dargestellt wird.
Finanzierungsfrage
Eine aktuelle Kontroverse betrifft die Finanzierung der Seite. Jahr für Jahr ruft die Wikimedia Foundation zu freiwilligen Spenden auf. Und das Aufkommen steigt stetig. Allerdings – so kritisierten jüngst einige Autoren – sei es gar nicht erforderlich, das Finanzierungsziel dauernd nach oben anzupassen. Denn mittlerweile verfügt die Stiftung über ein Vermögen von 78 Millionen Dollar. Ein Berater von Wikimedia sprach gar von einer wachsenden "Kluft" zwischen Autoren und Stiftung.
Letztere wehrte sich jedoch gegen die Vorwürfe. Das Geld finanziere nicht nur die Wikipedia, sondern auch eine Reihe von anderen Wikimedia-Projekten, etwa das Mediawiki-Projekt zur Weiterentwicklung der quelloffenen Software hinter der Enzyklopädie. Dazu benötige man einen finanziellen Polster, sollten ungeplant Einnahmen wegfallen oder Kosten entstehen.
Fixbestandteil des Internets
Diskussionen wie diese werden die Wikipedia auch in Zukunft begleiten. Mit wachsendem Artikelangebot und dem in den meisten Fällen zuverlässigen System aus gegenseitiger Kontrolle unter den Autoren wird auch die Bedeutung der Seite weiterhin zunehmen. 15 Jahre nach ihrem Start ist ein Internet ohne Wikipedia unvorstellbar geworden. (Georg Pichler, 15.1.2016)