Luna Al-Mousli, "Eine Träne. Ein Lächeln. Meine Kindheit in Damaskus". € 39,10 / 150 Seiten. Weissbooks, Frankfurt 2015

Foto: Lukas Friesenbichler

Das Vorsatzpapier von Luna Al-Mouslis Buch Eine Träne. Ein Lächeln ist so rot wie die Bluse des Mädchens auf dem Cover dieses etwas mehr als faustgroßen, außerordentlich schönen Text- und Bildbändchens. Die Farbe der Liebe und des Schmerzes legt also gleich zu Beginn die Spur, der man als Betrachter und Leser dieser Beschwörung einer "Kindheit in Damaskus" in den 1990er-Jahren folgt.

Es ist die Kindheit von Luna Al-Mousli (25), die Syrien mit 14 verließ und seither in Wien lebt. Der vorliegende mit hohem Aufwand im Weissbooks-Verlag gedruckte und mit 39 Euro nicht billige, für den betriebenen verlegerischen Aufwand (limitierte Sonderausgabe!) aber immer noch wohlfeile Band ist Al-Mouslis Diplomarbeit, mit der sie ihr Grafikdesign-Studium an der Angewandten abschloss. Mittlerweile studiert die Autorin, die sich seit langem für das Flüchtlingsprojekt "Tanmu" (arabisch: "Wachsen") einsetzt, in Wien Orientalistik.

Eine Träne. Ein Lächeln umfasst 44 kurze, meist nicht mehr als eine Buchseite lange Texte in deutscher und arabischer Sprache und 21 aus- und aufklappbare, farblich gedämpfte Fotos aus dem Familienalbum, einem der wenigen Dinge, die die Familie nach Österreich mitnahm. Die Texte handeln von Familie, von Herkunft, vom Baden im Pool, von Schnee, der auch in Damaskus fällt. Sie handeln aber auch von der Klosterschule, die die Muslima Al-Mousli in Damaskus besuchte, und vom strengen Regime, das dort herrschte. Vor allem, was die an der Baath-Partei (der seit mehr als 40 Jahren die Assads vorstehen) orientierte "politische Bildung" betrifft.

Die Fotos ihrerseits fokussieren auf Bildausschnitte: der obere Teil einer Häuserzeile, Straßen- und Strandimpressionen, Tauben im Park – und immer wieder Hände. Die Hände einer Nonne etwa, die sich an einem Geländer festhält, Kinderhände in der Mähne eines Pferdes, eine Männerhand, Zügel haltend. Niemals zeigen die Fotos Augen der Abgebildeten, auch auf dem Coverbild nicht, das besagtes Mädchen mit der roten Bluse zeigt, das die Hände fest um einen von einer Kette auf seine Brust baumelnden Gegenstand geschlossen hält, den es wie einen Talisman umfasst. Man sieht das Mädchen ab der Kinnpartie, die Lippen zusammengedrückt. Kurz vor dem Weinen – oder vor dem Losprusten.

Text und Bild, Vergangenheit und Gegenwart, Kindheit und Fremde – auch des Erwachsenseins -, Individuelles und Politisches, arabische und deutsche Sprache. Es sind verschiedenste Ebenen, die dieses Buch auf wenig Raum zusammenbringt, nein amalgamiert. Und es ist ein Buch, in dem es die Autorin immer wieder schafft, Härte mit Sinnlichkeit zu brechen. Etwa wenn Al-Mousli schildert, wie im Salon der Wohnung in Damaskus Lavendel und Minze getrocknet werden und sich ein Duft über die Seiten legt.

Die Gründe des gegenwärtigen Horrors in Syrien werden in Eine Träne. Ein Lächeln nicht verhandelt. Vielmehr geht es um das Vergehen der Zeit und das Ringen, den Moment im Bild und im Speichermedium der Schrift zu bannen – und als Erinnerung, vielleicht auch Hoffnung festzuhalten. "Es war einmal", schreibt Luna Al-Mousli, und weiter: "es war keinmal, bis es einmal war." (Stefan Gmünder, Album, 16.1.2016)