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Das an die Friedmann-Erben restituierte Gemälde "Reiter am Strand" von Max Liebermann wechselte im Juni 2015 bei Sotheby's für 2,62 Millionen Euro den Besitzer.

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Übergabe des Abschlussberichts der Taskforce Schwabinger Kunstfund: Ingeborg Berggreen-Merkel und Ministerin Monika Grütters.


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Knapp 48 Monate sind seit der Beschlagnahme der Sammlung des zwischenzeitlich verstorbenen Cornelius Gurlitt vergangen, fast 26 Monate seit der Gründung der Taskforce. Ihre Aufgabe war, die Herkunft von jenen 499 der 1258 in der Schwabinger Wohnung sichergestellten Kunstwerke zu klären, die unter Raubkunstverdacht standen. Denn Cornelius Gurlitt hatte diese Kollektion von seinem Vater Hildebrand geerbt, einem in der NS-Ära aktiven Kunsthändler, der auch mit "entarteter Kunst" handelte.

Seither ist – je nach Sichtweise – viel oder wenig passiert. Theoretisch trat das Kunstmuseum Bern, wie von Gurlitt vorgesehen, im November 2014 das Erbe an. Praktisch focht seine Cousine das Testament an, eine Entscheidung des Münchener Amtsgerichts steht noch aus. Deutschland hat Bern vor 13 Monaten jedenfalls zugesichert, mit Hochdruck an der Provenienzforschung zu arbeiten.

Die bis Anfang dieser Woche vorgelegte Bilanz war dürftig: fünf veröffentlichte Dossiers, zwei restituierte Kunstwerke. Darunter Max Liebermanns Gemälde Reiter am Strand aus der 1941 von der Gestapo beschlagnahmten Sammlung David Friedmann. 1942 wechselte es über eine Auktion in den Besitz Hildebrand Gurlitts, zusammen mit einer zweiten Arbeit des Künstlers: das Pastell Korbflechter. Zuletzt war es im Besitz von Cornelius Gurlitts Schwager, der es im Mai 2000 bei Villa Grisebach versteigern ließ. Eine wesentliche Erkenntnis, die jetzt eher beiläufig öffentlich wurde.

Zum Jahreswechsel beendete die Taskforce ihre nun von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste fortgeführte Tätigkeit. Am Donnerstag überreichte Taskforce-Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel Kulturstaatsministerin Monika Grütters zweierlei: einen Bericht sowie eine Festplatte mit sämtlichen Daten, die (Achtung, ein Symbol für Transparenz!) in Zellophan verpackt war.

Mehr als nur Formalismen

Laut Berggreen-Merkel fasse dieser Bericht Ergebnisse zusammen, die von den Mitgliedern "eingehend begutachtet und als richtig befunden wurden". Das Gegenteil ist der Fall. Tatsächlich verweigerten internationale Experten des Gremiums die Zustimmung zu diesem Papier, das ihnen in der Endfassung bis Mittwoch nicht übermittelt worden war.

Dabei geht es um mehr als nur um Formalismen. Galt es doch, Recherchen von externen Provenienzforschern und Werkstudenten zu sichten und zu bewerten. Dem Vernehmen nach gab es dafür monatelang keinen Auftrag der Taskforce-Leitung und wurde die Arbeit daran erst im Oktober begonnen.

Die 2014 in Salzburg aufgefundenen 186 Kunstwerke, die zu Forschungszwecken mit einer befristeten Ausfuhrbewilligung ausgestattet nach Deutschland abwanderten, wurden bislang übrigens nicht bearbeitet.

Die nun in sogenannten "Object Records Excerpts" zusammengefassten Ergebnisse wurden jetzt auf der Taskforce-Website veröffentlicht. Gleicht man diese nun mit dem vorliegenden Bericht ab, wird nach wenigen Stichproben offensichtlich: Berggreen-Merkel fehlt das Verständnis für diese Forschungsdisziplin, oder sie war mit der inhaltlichen Auswertung überfordert. Anders lässt es sich nicht erklären, warum die Beurteilung der Experten ignoriert und teils bis ins Gegenteil verkehrt wurde.

Am Beispiel einer orientalischen Szene von Eugène Delacroix erklärt: Die Provenienz dieser Zeichnung ist vom 19. Jahrhundert bis zum Gurlitt-Erwerb 1942 vollständig belegt. Offenbar ist dieses Blatt unbelastet, die Leiterin schließt die Möglichkeit eines Entzugs jedoch nicht aus. Bisweilen scheint es auch an Sachverstand zu scheitern: Warum ein in das Jahr 1944 datiertes Ölgemälde (Camille Bombois) "hohe Forschungspriorität" haben soll, da "Provenienzhinweise auf einen NS-Verfolgungs-bedingten Entzug hindeuten", weiß wohl nur Berggreen-Merkel.

Mit der Realität stimmen ihre aktuell vorgelegten Zahlenspiele nicht überein. Tatsächlich konnten weit mehr als elf Fälle geklärt werden. Die Strategie, die Arbeit der Taskforce unter Wert zu verkaufen, ist nicht nachvollziehbar. Am wenigsten für die Mitglieder selbst, die ihre Forschungsbilanz nun im Zuge eines Symposiums im Juli präsentieren werden. (Olga Kronsteiner, 15.1.2016)