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Fehler können Ärzten immer passieren und sollen nicht mehr so oft zu Strafprozessen führen. Geht ein Mediziner aber etwa bei einer Operation ein lebensbedrohendes Risiko ein, soll das in Zukunft strenger geahndet werden.

Foto: AP / Focke Strangmann

Wien – "Tod nach falscher Spritze" oder "Falsch operiert". Wenn nach einer medizinischen Behandlung oder einer Operation Folgeschäden bleiben, gehen die emotionalen Wogen hoch. Doch in der gerichtlichen Praxis war die Beurteilung dieser Fälle meist schwierig, da ein großer Auslegungsspielraum bestand. Mit der Strafrechtsnovelle, die mit 1. Jänner 2016 in Kraft getreten ist, soll die Rechtslage vereinfacht und die Beurteilung von Fehlern erleichtert werden.

Durch das wiedereingeführte "Medizinalpersonenprivileg" können Ärzte und medizinisches Personal nicht für jede unerwünschte Folge einer medizinischen Behandlung zur Rechenschaft gezogen werden, sondern nur, wenn sie grob fahrlässig gehandelt haben. Gleichzeitig werden die wirklichen ärztlichen Kunstfehler strafrechtlich aus dem Bereich der Kavaliersdelikte geholt. Der Strafrahmen für die grob fahrlässige Tötung wird im Vergleich zum Grunddelikt verdreifacht und bei der grob fahrlässig begangenen Körperverletzung verdoppelt.

Tupfer im Körper vergessen

Ein Mann wird am Herzen operiert. Nach ein paar Tagen verschlechtert sich sein Zustand zunehmend. Er zeigt Symptome einer Blutvergiftung. Bei der Untersuchung stellt man fest, dass bei der Herzoperation ein Tupfer vergessen wurde.

Die große Frage ist nun, ob die zuständigen Operateure hier "grob fahrlässig" gehandelt haben. Nach dem neuen Strafrechtsänderungsgesetz hängt die strafrechtliche Verantwortung davon ab, ob der behandelnde Arzt bzw. die betrauten Pflegepersonen "ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handeln, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war".

Im Fall der Herzoperation stellte sich im Verlauf des Ermittlungsverfahrens heraus, dass die OP-Schwester beim Zählen der Tupfer tatsächlich einen vermisst hatte. Da der Tupfer aber nicht auffindbar war, hatte der behandelnde Arzt entschieden, den Brustkorb dennoch wieder zu schließen. Er hatte also das Risiko in Kauf genommen, dass es zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung kommen könnte. Und damit liegt nach der Strafgesetznovelle der Tatbestand der "groben Fahrlässigkeit" vor.

Hätte sich die OP-Schwester tatsächlich verzählt und das Fehlen des Tupfers nicht bemerkt, dann läge zwar auch ein Behandlungsfehler vor, aber kein strafrechtlich relevanter Tatbestand. Allfällige Schadenersatzansprüche könnten dann nur auf dem zivilrechtlichen Weg geltend gemacht werden.

Auch für Behandlungsfehler, die zum Tod eines Patienten führen, gilt jetzt der Grundsatz der "groben Fahrlässigkeit". Der bisherige Tatbestand der "fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen" (§ 81 StGB) hatte nicht nur eine sperrige Bezeichnung, sondern bereitete bei der rechtlichen Beurteilung in der Praxis Schwierigkeiten.

Schwieriger Nachweis

Zwar konnten die angeforderten Sachverständigengutachten in vielen Strafverfahren sogar auffallende und ungewöhnliche Sorgfaltswidrigkeit nachweisen. Der Nachweis von "besonders gefährlichen Verhältnissen" war jedoch oft nicht möglich. Bei der "grob fahrlässigen Tötung" braucht es diesen Nachweis nicht mehr, es reicht, wenn jemand ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig gehandelt hat.

Es wird sich zwar erst zeigen, ob in der Praxis der zivilrechtliche Begriff der groben Fahrlässigkeit auch im Strafrecht seinen Durchschlag finden wird. Fest steht, dass die Verletzung von Sorgfaltspflichten oder das bewusste Eingehen eines Risikos strenger als bisher geahndet wird.

Damit trägt das neue Strafrechtsgesetz den teils heiß diskutierten "Ärzteprozessen" der Vergangenheit Rechnung. Bleibt die Frage nach den Kosten. Wenn die Verurteilungen wegen grob fahrlässigen Delikten zunehmen, kommt zu den strafrechtlichen Folgen auch ein erhöhtes finanzielles Risiko für medizinisches Personal und deren Arbeitgeber, namentlich die Krankenhäuser.

Qualitätsmanagement

Risikomindernd könnten dabei jedoch Maßnahmen wirken, die die Krankenanstalten eingeführt haben, um Behandlungsfehler zu vermeiden, wie ein funktionierendes Qualitätsmanagement, eine sorgfältige Aufklärung der Patienten über medizinische Behandlungen und eine gute Kommunikation sowohl zwischen den behandelnden Ärzten und Betreuern als auch zwischen medizinischem Personal und Patienten. (Mathias Preuschl, 18.1.2016)