Von Inseln wie Samos werden die Menschen nach Piräus auf das Festland gebracht.

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Brüssel/Piräus/Berlin/Wien – Eine generelle Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen würde nach Auffassung von EuGH-Präsident Koen Lenaerts europäischem Recht zuwiderlaufen. Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Montag: "Immer wenn jemand asylberechtigt ist, hat er nach dem Unionsrecht das Anrecht darauf, als Flüchtling anerkannt zu werden".

"Das ist schwer vereinbar mit irgendeiner Zahl oder Obergrenze." Lenaerts geht davon aus, dass die EU-Staaten die Flüchtlingskrise lösen werden: "Ich glaube, dass die derzeitigen Probleme überwindbar sind." Die Europäische Union (EU) werde daran nicht zerbrechen, sondern diese Krise meistern, wie sie schon zahlreiche Krisen zuvor gemeistert habe, sagte der Belgier, der dem Gerichtshof seit Oktober 2015 vorsteht.

Der Jurist verwies darauf, dass die EU immer strikt gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention handeln müsse. So müssten alle EU-Länder gemeinsame Mindeststandards bei der Unterbringung von Flüchtlingen einhalten, solange sie einen Asylantrag prüfen.

Weitere Ankünfte trotz Winterwetters

Trotz winterlichen Wetters mit stürmischen Winden dauert indes der Flüchtlingszustrom in der Ägäis aus der Türkei nach Griechenland an. In der Hafenstadt Piräus trafen am Montag nach Angaben der Küstenwache gut 2.400 Flüchtlinge an Bord von zwei Fähren von den Inseln Lesbos und Chios ein. Dorthin waren sie vom türkischen Festland gelangt.

Nach neuesten Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind in den ersten 16 Tagen des Jahres 29.088 Migranten und Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland gekommen. Die meisten – 18.106 – landeten demnach auf Lesbos.

36.000 Ankünfte in Deutschland

In Deutschland sind in der ersten Januarhälfte nach Angaben der Bundespolizei rund 36.700 Asyl- und Schutzsuchende eingereist. Danach kamen bis Samstag pro Tag rund 2300 Menschen ins Land. Am Sonntag wurden einem Sprecher zufolge 2862 Einreisen festgestellt, davon 2770 an der deutsch-österreichischen Grenze. Die Angaben beruhen auf Kontrollen in Grenznähe.

In Österreich bemerkt das Rote Kreuz eine Veränderung bei den Nationalitäten der Ankommenden und Durchreisenden. Nur mehr "ein geringerer Teil" der Personen kämen aus Syrien, zog er am Montag in einer Pressekonferenz in Linz Bilanz, die meisten derzeit aus Afghanistan und Nordafrika.

Gabriel ermahnt nordafrikanische Staaten

Die nordafrikanischen Staaten ermahnte der deutsche Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel zur Rücknahme abgelehnter Asylbewerber. Er drohte am Sonntagabend indirekt mit einer Kürzung der Entwicklungshilfe, sollten Staaten wie Algerien und Marokko ihre Landsleute nicht zurücknehmen.

Deutschland sei nur dann bereit, in diesen Ländern wirtschaftlich zu helfen, wenn diese ihre Bürger wieder einreisen ließen, "die bei uns kein Asylrecht haben", sagte Gabriel in den ARD-"Tagesthemen". "Es kann nicht sein, dass man die Entwicklungshilfe nimmt, aber die eigenen Bürger nicht (...)", sagte der SPD-Chef.

Die deutsche Bundesregierung will dafür sorgen, dass angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen aus Algerien, Tunesien und Marokko die Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern vorrangig geprüft werden. Eine Einstufung als sichere Herkunftsländer würde die Asylverfahren betroffener Staatsbürger beschleunigen und zu schnelleren Abschiebungen führen.

Einen Beschluss für ein derartiges nationales Gesetz fasste das Parteipräsidium der CDU nach Angaben von Generalsekretär Peter Tauber am Montag in Berlin. Zugleich forderte er die SPD auf, dies in der Koalition wie auch im Bundesrat mitzutragen.

Eine Schließung der Grenze zu Österreich lehnte Gabriel ab. Grenzschließungen innerhalb der EU verhinderten nicht die Ankunft weiterer Flüchtlinge. Zudem habe so ein Vorgehen wirtschaftliche Konsequenzen. (APA, dpa, Reuters, 18.1.2016)