Der Schwund von Bienenvölkern, die durch Imker gehalten werden, unterliegt grundlegend anderen Faktoren als jener von Wildbienen, sagen deutsche Biologen.

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Halle (Saale) – Mit einer überraschenden These warten Biologen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) auf: Sie berichten in "Agriculture, Ecosystems & Environment", dass Pestizide und Parasiten kaum für den regionalen Rückgang von Honigbienenvölkern verantwortlich seien. Politische und sozio-ökonomische Veränderungen wie Revolutionen oder Bürgerkriege und der globale Honighandel würden eine wesentlich größere Rolle spielen. Dies gilt freilich nur für durch Imker gehaltene Bienenvölker, nicht für Wildbienen.

Während in der Landwirtschaft der Bestäubungsbedarf in den letzten 50 Jahren um über 300 Prozent angewachsen ist, stieg die Zahl der Bienenvölker weltweit nur um 60 Prozent, so Robin Moritz und Silvio Erler von der MLU. Allerdings sei diese Entwicklung regional extrem unterschiedlich: In West-Europa und den USA verzeichne man seit Jahren einen starken Rückgang. Allein in Europa seien zwischen 1989 und 1995 rund sieben Millionen Bienenvölker verschwunden.

Einbruch in den 1990ern

Für ihre Studie werteten die Biologen Statistiken der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zu Honigproduktion und -handel der letzten 50 Jahre aus. Diese umfassen unter anderem Angaben über die Anzahl der Bienenvölker in einem Land, die Menge an jährlich produziertem sowie an importiertem und exportiertem Honig.

Die Forscher bemerkten auffällige zeitliche Entwicklungen: So sei ein extremer Rückgang der europäischen Bienenvölker in Europa Anfang der 1990er Jahre erfasst – also zeitgleich mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem politischen Wandel in Deutschland. "Vor 1989 wurde die Imkerei in der DDR staatlich stark subventioniert", so Moritz. Die Imker hätten ihren Honig zu hohen Preisen an den Staat verkaufen können, der den Honig dann deutlich günstiger weiterverkaufte.

Fehlende Subventionen

Nach der Wiedervereinigung habe die Imkerei durch fehlende Subventionen an Attraktivität verloren, die Anzahl der Bienenvölker sei um bis zu 50 Prozent zurückgegangen. "Das zeigt deutlich, dass politische Entwicklungen einen starken Einfluss auf die Zahl der Bienenvölker haben können", sagte Moritz. Heute sei die Annahme gängig, dass vor allem der Einsatz von Pestiziden sowie Parasiten und Wetterextreme für den Rückgang von Bienenvölkern verantwortlich sind. "Für Bienenvölker, die von Imkern gehalten werden, trifft das aber nur bedingt zu", so Erler.

Pestizide oder Krankheiten hätten zwar zweifellos Einfluss auf das Bienensterben, aber keinen nennenswerten auf die Zahl der gehaltenen Bienenvölker kaum, da Imker auf Schwunde rasch reagieren würden. Das lasse jedoch keine Rückschlüsse auf das Sterben von Wildbienen zu, wie die Forscher klarstellen. (red, 18.1.2016)