Der Schnee wird weniger, daran ändern auch Beschneiungsanlagen nichts – und "energetisiertes" Wasser schon gar nicht.

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Der erste Schnee hat diesen Winter lange auf sich warten lassen. In den Skigebieten Österreichs geht schon lange nichts mehr ohne Schneekanonen und Kunstschnee – und selbst dafür war es in letzter Zeit meist zu warm. Wetter und Klimawandel machen das Geschäft mit dem Wintersport immer schwieriger, und so es ist kein Wunder, dass die Liftbetreiber mittlerweile oft auf eher seltsame Methoden zurückgreifen.

Schnee ist ja nichts anderes als gefrorenes Wasser, und das genießt unter Esoterikern schon seit langer Zeit große Aufmerksamkeit. Wasser kann angeblich "belebt" oder "energetisiert" werden und dadurch angeblich beeindruckende Eigenschaften erlangen. Flüssiges Wasser allein aber reicht nicht mehr: Seit einigen Jahren widmen sich die Wasseresoteriker auch dem Schnee.

Den Schwingungsmustern sei Dank

"Snowtuning für Schneekanonen und Pumpstationen" bietet die Firma Aqua Blue beispielsweise auf ihrer Website an. Und erklärt, man erzeuge mit ihren Geräten "ein physikalisches Feld von Schwingungsmustern, die das Wasser anregen, sich wieder zu ordnen. Die Moleküle bekommen wieder eine Struktur, wie sie bei frischem Quellwasser üblich ist." Kunstschnee mit diesem Wasser soll dann angeblich länger der Sonne oder dem Föhn standhalten, wäre griffiger und würde bei der Produktion auch noch Kosten sparen. Wissenschaftliche Belege für die Existenz irgendwelcher "Schwingungsmuster" in Wasser, die sich verändern lassen oder Auswirkungen auf dessen Qualität haben, gibt es natürlich nicht.

Aber der Markt ist groß, und viele Firmen streiten sich um die Aufmerksamkeit der Skigebiete. Waterfit Snow, "der Schneeoptimierer, die Innovation aus Österreich", verspricht sogar: "Saisoneröffnungstermine können leichter eingehalten, Pisten rascher optimiert und eventuell sogar Saisonen verlängert werden." Die Behauptungen werden ebenfalls mit wissenschaftlich klingenden Aussagen untermauert: "Natürliches Quellwasser verliert auf seinem Weg von der Quelle bis hin zum Endverbraucher seine Vitaleigenschaften. Denn das Wasser wird in Rohre hineingezwungen, was dem natürlichen 'Sich-Verwirbeln-Wollen' entgegenwirkt. Weiters verliert das Wasser infolge der Pumpanlagen und ihrer elektromagnetischen Schwingungen seine natürliche kristalline Struktur."

Manipulierte Moleküle

Über die angeblichen Erfolge der Schneeoptimierer wird in den Medien regelmäßig berichtet. Schnee der Firma Energy Receive Solutions (ERSO) aus Leibnitz war Thema beim ORF, der "Kronen Zeitung", der "Presse" und jeder Menge anderer Publikationen. Dieser Kunstschnee würde 30 Prozent länger halten als normaler Schnee und damit auch die Kosten für die Beschneiung um 30 Prozent reduzieren. Die Technologie der Firma soll gegen Phänomene wie Wasseradern, Elektrosmog und "geopathische Störzonen" helfen; man könne damit Räume energetisieren und Wasser "aktivieren". Man will bei ERSO sogar in der Lage sein, die Molekularstruktur des Schnees zu verändern und die "Räume zwischen den Molekülen" auf ein Minimum zu reduzieren. Das soll den Schnee weniger anfällig gegenüber "elektromagnetischen Störfeldern" machen.

Ob man Moleküle tatsächlich auf diese Art und Weise manipulieren kann, sollte man eigentlich mit entsprechenden Analysen und mikroskopischen Untersuchungen nachweisen können. Solche Studien sucht man aber vergeblich, genauso wie wissenschaftliche Publikationen, in denen erklärt wird, wie man es geschafft haben will, die molekulare Struktur von Wasser zu verändern. Die Firmen, die vom Wintersport leben, lassen sich dadurch aber nicht stören. ERSO verkündet auf seiner Website stolz, "offizieller Partner des FIS-Skiflug-Weltcups" zu sein.

Mit Schnee zur Neuen Weltordnung

Neben den oben genannten (und vielen weiteren, hier nicht erwähnten) Unternehmen, die Schnee von Elektrosmog, Störfeldern und anderen seltsamen Einflüssen reinigen wollen, gibt es natürlich auch die, die sich Gedanken darüber machen, wieso der Schnee so eine besondere Behandlung überhaupt nötig hat. Dort, wo sich im Internet die Verschwörungstheoretiker herumtreiben, findet man im Winter immer wieder aufgeregte Videos und Berichte von Leuten, die dramatische Entdeckungen in Sachen Schnee gemacht haben wollen.

Von "Plastikschnee" ist da die Rede, von "Nanoschnee" oder auch "NWO-Schnee", der von der "Neuen Weltordnung" mit (bewusstseinsverändernden) Chemikalien oder geheimer Technologie versetzt und in Umlauf gebracht wird. Andere machen die Chemtrails dafür verantwortlich, dass der Schnee nicht mehr das ist, was er früher einmal war. Denn im Gegensatz zum echten Schnee würde der "Chemieschnee" nicht schmelzen, wenn man ihn der Hitze aussetzt. Das wird in den einschlägigen Videos demonstriert, indem ein Schneeball mit einem Feuerzeug angeheizt wird. Und tatsächlich sieht man, dass der Schnee sich nur schwarz färbt, anstatt sofort zu schmelzen.

"Rätselhafte" Eigenschaften

Also ein Beweis für die Existenz geheimer Wasser- und Schneemanipulation? Nein, eher ein Beleg für die mangelnden physikalischen Kenntnisse der Verschwörungstheoretiker. Selbstverständlich schmilzt ein Schneeball, wenn er der Flamme eines Feuerzeugs ausgesetzt wird. Aber Schnee ist ein Material, das nicht nur aus Wasser besteht, sondern auch sehr viel Wasser aufnehmen kann (wie alle bestätigen können, die schon das Vergnügen einer Skiabfahrt im frühlingswarmen Schneematsch hatten). Schnee ist kein fester Eisblock, sondern kann das bei der Erwärmung entstehende Schmelzwasser lange selbst aufnehmen, bevor er komplett flüssig wird. Und die schwarzen Spuren? Sind die Kohlenstoffspuren (also Ruß), die bei der unvollständigen Verbrennung des Feuerzeuggases entstehen.

Wenn die geheime Weltregierung tatsächlich in der Lage wäre, Schnee für ihre (vermutlich hinterhältigen) Zwecke zu manipulieren, dann sollte sie es ja eigentlich auch irgendwie hinkriegen, dass es ein wenig öfter schneit als in den letzten Jahren. Der beste bewusstseinsverändernde Nano-Chemtrailschnee nutzt nichts, wenn er nicht unter die Menschen gebracht wird. Und wahrscheinlich wäre es auch den Liftbetreibern egal, ob der Schnee jetzt natürlich, esoterisch-energetisiert oder geheim-manipuliert ist: Hauptsache, es ist überhaupt Schnee auf der Piste!

Umdenken gefordert

So, wie es aussieht, wird der aber in Zukunft immer öfter fehlen. Egal wie viel Wasser man in den Skigebieten in Zukunft "beleben" und auf die Pisten spritzen wird: Gegen den Klimawandel wird man damit nicht ankommen. Es wäre vernünftig, wenn sich die Wintersportzentren Gedanken über eine langfristige Änderung ihrer Infrastruktur machen würden, damit Tourismus dort nicht mehr nur im Winter stattfinden kann und nicht mehr so extrem vom Schnee abhängig ist.

Stattdessen braucht man immer mehr Geld, um immer extremere Maßnahmen zu ergreifen, damit der Status quo gerade noch gehalten werden kann. Und als wäre das nicht schon deprimierend genug, wird ein Teil dieses Geldes auch noch für esoterische Schneezauberei ausgegeben. Wenn es ums Skifahren geht, spielt in Österreich die Wissenschaft anscheinend keine Rolle mehr ... (Florian Freistetter, 19.1.2016)