Flüchtlinge in Villach: Die Stadtchefs kritisieren, dass trotz Durchgriffsrechts des Bundes mehr als die Hälfte der Gemeinden noch gar keine Asylwerber aufgenommen haben. Dem Bund fehle beim Flüchtlingsthema ein "großer Plan", sagt Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ).

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Wien – Die Bürgermeister von Österreichs größten Städten vermissen einen konkreten Plan des Bundes bei der Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen. "Wir fühlen uns im Stich gelassen", sagte der Grazer Ortschef Siegfried Nagl (ÖVP) bei einer Zusammenkunft der Bürgermeister aus Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck im Wiener Rathaus. Nagl sprach von einem "nicht koordinierten Dschungel" im Bund und forderte in der Flüchtlingsfrage einen eigenen Regierungskoordinator.

Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely, die beim Treffen den erkrankten Bürgermeister und Städtebund-Präsident Michael Häupl (beide SPÖ) vertrat, wies darauf hin, dass trotz Durchgriffsrechts des Bundes bis dato mehr als die Hälfte der Gemeinden keine Asylwerber aufgenommen hätten. Solidarität sei auch innerhalb Österreichs notwendig.

"Zusammenhalt der Gesellschaft" auf dem Spiel

Das Innenministerium sei massiv gefordert, die Verfahrensdauer bei Asylanträgen zu verkürzen, sagte der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ). "Die Flüchtlingsströme werden nicht abreißen." Für Luger stehe der "Zusammenhalt der österreichischen Gesellschaft" auf dem Spiel. Trotz einer Steigerung der Asylanträge 2015 auf 90.000 – im Vergleich zu 2014 hat sich die Zahl mehr als verdreifacht – seien die Mitarbeiter in den Behörden bislang aber nur marginal aufgestockt worden, kritisierte Wehsely. Luger sagte, dass realistischerweise "ein Großteil der Menschen, die hier sind, bleiben" wird. Es kämen "überwiegend Menschen mit schlechten Berufsqualifikationen".

Die Städte würden die finanzielle Hauptlast bei der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge tragen, waren sich die Ortschefs einig. Allein in Wien seien aktuell knapp 20.000 Menschen in Grundversorgung, vor einem Jahr habe diese Zahl laut Wehsely noch 8000 betragen. Weil es "ohne Geld ka Musi" gebe, müssten Mehrleistungen wie verpflichtende Deutschkurse, Integrationsmaßnahmen in Kindergärten und Schulen sowie Wohnbauprojekte vom Bund im Rahmen des neu zu verhandelnden Finanzausgleichs abgegolten werden.

Schaden: "Es brodelt" in Bevölkerung

Nagl sprach konkret von fünf Euro pro Tag und Asylwerber für Städte, mit dem Geld könnten als Präventionsmaßnahme auch Wertekurse und Schulungen etwa zum Thema "Gewalt und Sexismus" abgehalten werden. Wehsely forderte einen "österreichweiten Integrationsplan".

Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) berichtete, dass seit Anfang September 300.000 Flüchtlinge auch dank der vielen freiwilligen Helfer, NGOs, Beamten und Behörden durch Salzburg geleitet wurden. Mehrkosten von "500.000 Euro bekommen wir aber nicht refundiert", sagte Schaden. Auf Nachfragen beim Innenministerium habe es "keine Antwort" gegeben. Weil Deutschland vermehrt Nordafrikaner an den Grenzen zurückschicken würde, gerate man in eine "Situation zwischen Hammer und Amboss". Dem Bund fehle ein "großer Plan". Laut Schaden habe sich die Stimmung in der Bevölkerung gedreht: "Es brodelt." Man müsse schauen, dass es nicht hochkocht.

Prognosen von bis zu 150.000 Asylwerbern 2016

Stimmen die Flüchtlingsprognosen, die 2016 von bis zu 150.000 Asylwerbern in Österreich ausgehen, würden die Städte das "nicht mehr schaffen", sagte Nagl. Der Grazer hatte vor wenigen Tagen 100.000 Asylwerber als "Obergrenze" genannt. Am Montag vermied er das Wort. Nagl sagte aber, dass Österreich nach Europa melden müsse, wie viele man aufnehmen könne, "ohne dass es die Gesellschaft zerreißt". Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck) lehnte wie die SPÖ-Ortschefs eine Diskussion über Begrifflichkeiten ab. (David Krutzler, 18.1.2016)