Nach Österreich, wo in der vergangenen Woche das Arbeitsmarktservice (AMS) erste Zahlen präsentiert hat, kommen auch aus Deutschland neue Daten darüber, welche Qualifikationen Flüchtlinge mitnehmen, die nach Europa kommen.

So hat das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nun die Ergebnisse einer Befragung unter 2800 Asylberechtigten aus mehreren Ländern, darunter Afghanistan, Irak, und Syrien, veröffentlicht. Die Resultate fallen schlechter aus als in der AMS-Untersuchung, das Bildungsniveau der Flüchtlinge ist niedriger, als dies laut österreichischer Erhebung der Fall war.

Demnach gab ein Viertel der befragten Iraker an, keine Schule besucht zu haben. Bei der AMS-Erhebung lag diese Quote bei fünf Prozent. Auch der Anteil der höher qualifizierten Flüchtlinge liegt laut der deutschen Untersuchung niedriger. Weniger als zehn Prozent der Syrer können demnach als hoch qualifiziert gelten.

Allerdings bedeutet diese Diskrepanz keineswegs, dass eine der Analysen aussagekräftiger ist als die andere. Direkte Vergleiche lassen sich wegen methodischer Unterschiede nur schwer ziehen. So hat das BAMF zwar mehr Flüchtlinge befragt. Aber die Erhebung wurde per Fragebogen durchgeführt, was die Fehleranfälligkeit erhöhen kann. Das AMS wertete Interviews aus.

Der deutsche Bildungsökonom Ludger Wößmann vom Münchner ifo-Institut hat unterdessen die Diskussionen über die Qualifikation der Flüchtlinge um einen neuen Aspekt bereichert. In einem aktuellen Aufsatz widmet sich Wößmann der Frage, was über die Bildungssysteme jener Länder bekannt ist, aus denen die meisten Flüchtlinge kommen. Was heißt es also, wenn ein Asylwerber aus Syrien oder dem Irak angibt, die Matura gemacht zu haben?

Schultests in Syrien

Die Datenlage ist dünn. In den internationalen Schulleistungstests Pisa wurden nie Schüler aus Syrien oder dem Irak getestet. Was es gibt, sind Zahlen aus den TIMSS-Studien, in der die Lese-, Mathematik- und Naturwissenschaftskenntnisse von Viert- und Achtklässlern erhoben werden.

Die jüngsten Zahlen stammen von 2011. Die Bildungssysteme in den wichtigen Herkunftsländern der Flüchtlinge sind demnach von ihrer Qualität her deutlich schlechter als jene in westlichen Ländern. Ein Beispiel: In Syrien verfügen laut TIMSS nach acht Jahren Schule nur 47 Prozent der Schüler über niedrige Grundkenntnisse in Mathematik, können also mit ganzen Zahlen rechnen. Im Iran steigt der Wert auf nur 55 Prozent an. In Europa liegt die Quote meist bei um die 90 Prozent.

Auf Basis der TIMSS-Zahlen ergebe sich, dass "zwei Drittel der jungen Syrer selbst in ihrer Muttersprache nur einfachste Aufgaben lösen können", schreibt Bildungsökonom Wößmann. Nach internationalen Standards müssen diese Menschen in Bezug auf die Beteiligung an einer modernen Gesellschaft als "funktionale Analphabeten gelten".

Allerdings gibt es auch Widerspruch an dieser Darstellung, und zwar von der Industriestaatenorganisation OECD. Andreas Schleicher, der als Vater der Pisa-Tests gilt, meint, dass Wößmann das Bildungsniveau der Migranten unterschätze. Denn unter ihnen befinden sich tendenziell höher Qualifizierte, als wenn man nur die Gesamtzahl der Schüler in einem Land betrachtet. Für Wößmann sind die Analyseergebnisse ein Grund, um Flüchtlinge dort, wo notwendig, stärker zu fördern. Er fordert mehr Deutschkurse. Qualifikationsmaßnahmen sollten sich mehr an der Vorbildung der Betroffenen orientieren.(András Szigetvari, 19.1.2016)