Heiliger Vater! Nun liegt der Abschlussbericht der XIV. Generalversammlung der Bischofssynode vor. Viele Gläubige sind damit nicht zufrieden, obwohl insbesondere von hierarchischer Seite weitgehend Zustimmung signalisiert wird. Wie offensichtlich ein Großteil des Volkes Gottes, so hoffe auch ich, dass Ihr Dokument im Anschluss an den Schlussbericht in wesentlichen Punkten über diesen hinausgeht. Ich bitte, in Ihr einschlägiges Apostolisches Schreiben folgende sieben Punkte aufzunehmen bzw. diese berücksichtigen zu wollen.

1. Im Sinne der gewünschten und versprochenen Dezentralisierung und Regionalisierung sollen Erdteilen und Kulturen, den Bischofskonferenzen eigene (mehr) Kompetenzen zukommen. Die von der Kirche gelobte Subsidiarität soll nicht nur anderen empfohlen, sondern auch im eigenen Bereich umgesetzt werden.

2. Auch die Menschenrechte sollen nicht nur der Politik und der Gesellschaft nahegelegt bzw. von diesen abverlangt, sondern von der Kirche selbst voll anerkannt und verwirklicht werden. Dies gilt insbesondere für Frauen sowie Männer, was den Pflichtzölibat betrifft. Aus der gleichen Würde von Mann und Frau, aus den gleichen Rechten und Pflichten beider Geschlechter müssen die Konsequenzen gezogen werden. Den Laien und den Frauen sind mehr Rechte einzuräumen. Sie sind Subjekt und nicht Objekt der Kirche. Der "sensus fidelium", wie er durch die zwei Umfragen zur Synode sichtbar geworden ist, soll umgesetzt werden. Man soll ihre Mitbestimmung, ihre Abstimmung – im Unterschied zur Synode – ernst nehmen. Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" muss vom Heiligen Stuhl endlich ratifiziert werden. Ohne Menschenrechte gibt es keine Menschenfreundlichkeit, das Erbarmen muss mit Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Wahrheit verbunden werden.

Pastoral und Lehre

3. Pastoral und Lehre hängen innerlich zusammen, wie zu Recht betont wird. Damit es zur "pastoralen Wende" kommen kann, muss es auch zur Wende in der Lehre kommen. Es genügt nicht, laufend Enzykliken, den Weltkatechismus, den Kodex zu zitieren, ohne die dort enthaltenen Defizite, Härten, Ungerechtigkeiten, ja Irrtümer als solche zu erkennen, zuzugeben und sich dafür zu entschuldigen. Es genügt nicht, die veraltete Lehre zu verschweigen, anstatt sie außer Kraft zu setzen, gerade dann, wenn – und dort, wo – es eine neue Lehre gibt. Ohne Änderung der Lehre geht die Pastoral ins Leere. Wer die Lehre ausklammert, kann sie nicht ändern. Das Ziel erreicht nur, wer eines hat und den Weg dahin kennt.

4. Die vielen hervorragenden Aussagen im Zweiten Vatikanischen Konzil über das Gewissen müssen zitiert, angewendet, daraus müssen die Konsequenzen gezogen werden. Es geht um "die Freiheit der Kinder Gottes".

5. Die geschiedenen Wiederverheirateten sollen unter zu nennenden Bedingungen zu den Sakramenten zugelassen werden. Es gibt dafür genug theologisch gesicherte Aussagen, die dem Evangelium entsprechen, diesen keineswegs widersprechen.

6. Es gibt genug wissenschaftlich gesicherte Aussagen über die Homosexualität, die nicht einfach dem Willen, dem Gebot Gottes widerspricht. Die diesbezüglichen Sätze im Schlusstext sind zu vage. Die Kirche muss barmherziger und gerechter mit den Homosexuellen umgehen, zumal es in den eigenen Reihen, insbesondere unter den Geistlichen, so viele Homosexuelle gibt.

7. Richten Sie in Ihrem Schreiben im Namen der katholischen Kirche eine Bitte um Vergebung an das Volk Gottes, an die Menschheit – für Fehler, Versäumnisse, Ungerechtigkeiten, ja Sünden der Kirche, insbesondere im Bereich der Sexualmoral, der Ehe und der Familie, um weitere Enttäuschungen und Kirchenaustritte zu verhindern. Durch ein Schuldbekenntnis würde Vertrauen wiederhergestellt, die Glaubwürdigkeit erhöht, Ihr Dokument würde Erfolg haben. Ohne Glaubwürdigkeit kann man den Glauben nicht glaubhaft verkünden. (Anton Kolb, 20.1.2016)