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Diese Fliege hat wohl ausgesummt: Wird sie für gut befunden, dann macht sich die Venusfliegenfalle an ihre langsame Verdauung. Bis zu zehn Tage kann der Vorgang dauern.

Foto: Science Photo Library / picturedesk.com

Würzburg/Wien – Bereits kurz nach ihrer Erstbeschreibung 1768 sorgte die Venusfliegenfalle für Furore. Dank ihres spektakulären Fangapparates, der an ein bezahntes Maul erinnert, fand sie als Topfpflanze schnell Eingang in diverse Gewächshäuser. Zur regelrechten Ikone unter den fleischfressenden Pflanzen wurde sie jedoch erst durch Roger Cormans 60er-Jahre-Hit Little Shop of Horrors, einen der erfolgreichsten B-Movies aller Zeiten.

Dass die Pflanze tatsächlich ihresgleichen sucht, dafür hat die Evolution gesorgt. Ihr angestammter Lebensraum befindet sich dort, wo andere Pflanzen kaum ihr Auslangen finden und sie sich praktisch konkurrenzlos ausbreiten kann: Die nährstoffarmen Sümpfe der US-Ostküste zwangen die Venusfliegenfalle dazu, das knappe Angebot durch tierische Proteine zu ergänzen.

Ihre bis zu zehn Fallen zählen zu den ausgeklügeltsten Mechanismen der Botanik: Allenfalls 100 Millisekunden braucht der Fangapparat, um ein von süßem Nektarduft angelocktes Opfer einzuschließen – es ist dies eine der schnellsten bekannten Bewegungen im Pflanzenreich.

Nun hat eine deutsche Forschergruppe um Rainer Hedrich von der Universität Würzburg eine weitere bisher unbekannte Fähigkeit der Venusfliegenfalle entdeckt: Sie kann zählen. Die im Fachjournal "Current Biology" beschriebenen Experimente zeigen, dass eine einzelne Berührung der haarfeinen Borsten im Inneren des Fangapparates ausreicht, um eine Reaktion auszulösen. Zunächst versetzt dieses erste Signal die Pflanze nur in Bereitschaft, immerhin könnte es sich ja um einen falschen Alarm handeln.

Wird nun eine zweite Sensorborste berührt, schnappt die Falle zu. Noch ist aber das Schicksal des potenziellen Opfers nicht endgültig besiegelt: Ist die Beute zu klein – und damit für die Pflanze nicht der investierten Verdauungssäfte wert -, dann kann sie aus dem noch nicht vollständig geschlossenen Fangblatt entfliehen, und die Falle öffnet sich wieder.

Ab fünf wird verdaut

Registriert die Venusfliegenfalle dagegen noch eine dritte und vierte Berührung, dann kann sie davon ausgehen, dass es sich bei ihrem Fang um ein lohnenswertes Opfer handelt. Mit der Verdauung ihrer Beute beginnt sie trotzdem erst, wenn eine ihrer Borsten zumindest ein fünftes Mal angeregt wird: Dann ist der Zeitpunkt gekommen, dass die Drüsen im Fangapparat damit beginnen, Verdauungsenzyme auszuscheiden und freigesetzte Nährstoffe aufzunehmen. Die Wahrnehmungen durch die Tastborsten erlauben es der Venusfliegenfalle überdies, die Menge der benötigten Verdauungssäfte abzuschätzen.

"Die Anzahl der Aktionspotenziale informiert die Pflanze über Größe und Nährstoffgehalt ihrer mit dem Tod ringenden Opfer", erklärt Hedrich. "Das erlaubt es ihrer Falle, ein Gleichgewicht zwischen investierter Energie und Nutzen zu finden." Als Nächstes wollen die Forscher das Genom der Venusfliegenfalle sequenzieren. Im genetischen Bauplan der Pflanze hoffen die Biologen weitere Hinweise zum Aufbau des ausgefeilten Sensorsystems der Venusfliegenfalle zu finden. (Thomas Bergmayr, 21.1.2016)