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Schwedens Minister für Justiz und Migration, Morgan Johansson.

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Der schwedische Premierminister Stefan Löfven (Mitte) beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

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Davos – Der schwedische Premierminister Stefan Löfven und sein für Justiz und Migration zuständiger Minister Morgan Johansson zeigen sich im Gespräch mit dem STANDARD verwundert über die österreichischen Pläne, eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen einzuführen. Ihre Einschätzung: Das sei nicht durchführbar.

"Ich bekomme die Frage auch oft gestellt: Wie viele Flüchtlinge können wir aufnehmen?", sagte Löfven. Er sei sich nicht sicher, ob das überhaupt komme, so der Sozialdemokrat zu dem Vorhaben. "Ich habe auch gehört, dass darüber gesprochen wird, das seien nur Richtlinien. Ich weiß nicht, was das im Detail heißen soll."

Migrationsminister Johansson fragte zurück, ob das tatsächlich so zu verstehen sei, dass eine Obergrenze eingezogen werden solle. "Wir haben diese Art der Lösung nicht diskutiert. Denn es gibt dabei ein Problem: Was macht man, wenn man die Obergrenze erreicht hat? Wir sind alle an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden und müssen Verfolgte aufnehmen."

"Haben Maßnahmen ergriffen"

Beide betonten, dass es in Schweden keine Pläne für Obergrenzen gebe. "Wir haben unsere Maßnahmen zur Reduzierung der Anzahl ergriffen und schauen, dass diese wirken. Aber es war für uns auch wichtig, dass wir Maßnahmen ergriffen haben", sagte der Premier. Schweden, das bisher pro Kopf der Bevölkerung die meisten Flüchtlinge in Europa aufgenommen hat, kontrolliert seit kurzem die Grenze zu Dänemark wieder. Löfven appellierte in Davos für eine gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik samt Verteilung. "Es kann nicht sein, dass die Verantwortung dafür nur bei einigen Ländern liegt."

Ähnliche Worte benutzte der griechische Premier Alexis Tsipras: "Wir brauchen einen Mechanismus, der hilft, Flüchtlinge in andere Länder zu bringen. Und nicht nur in ein paar Länder, sondern in alle Länder." Es dürfe kein Europa à la carte geben. Tsipras bezeichnete es "als Schande für die Zivilisation, dass täglich Flüchtlinge ertrinken". Er verwehrte sich gegen den Vorwurf, dass Griechenland zu wenig mit der europäischen Grenzsicherung Frontex zusammenarbeite.

Auf dem gleichen Podium machte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble einen konkreten Vorschlag: Er fordert zur Bewältigung der Flüchtlingskrise einen europäischen Marshallplan zum Wiederaufbau der Krisenländer im Nahen Osten. "Wir werden Milliarden in die Herkunftsregion der Flüchtlinge und in die Nachbarschaft investieren müssen." Die Krise werde Europa mehr kosten, als viele bisher realisiert hätten.

Der Marshallplan war ein amerikanisches Wiederaufbauprogramm für Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg. Schäuble: "Wir brauchen etwas Ähnliches." Die Alternative, Europa zu einer Festung auszubauen, wäre eine Schande und keine Lösung. Der EU-Ratsvorsitzende und niederländische Regierungschef Mark Rutte sagte, der Schengen-Raum sei nur zu retten, wenn die EU die Probleme in den nächsten sechs bis acht Wochen in den Griff bekomme. Denn mit dem Frühling würden auch die Flüchtlingszahlen wieder steigen.

Zweifel an Schengen

Die EU müsse das Abkommen mit der Türkei und den Aufbau von Registrierungszentren in Griechenland und Italien zum Erfolg führen. Bevor das Schengen-System "abgetötet" werde, müsse die gemeinsame EU-Asylpolitik reformiert werden und funktionieren: "Wenn Schengen nur ein Schönwettersystem ist, kann es nicht weitergeführt werden."

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu forderte in Davos "konkrete Maßnahmen" der EU zur Überwindung der Flüchtlingskrise. "Das ist nicht nur ein deutsches Problem, es ist kein türkisches Problem und inzwischen nicht einmal ein syrisches. Es ist ein globales Problem." (Alexandra Föderl-Schmid, 22.1.2016)