In Berlin versprachen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der türkische Premierminister Ahmet Davutoğlu, bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise künftig vermehrt im Gleichschritt zu gehen.

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Berlin/Davos/Wien – Gleich mehrere türkische Minister sind am Freitag gemeinsam mit Regierungschef Ahmet Davutoglu zu deutsch-türkischen Regierungskonsultationen nach Berlin gekommen. Kein Zweifel: Zwischen beiden Regierungen besteht erhöhter Gesprächsbedarf. Hintergrund ist neben dem Kampf gegen den Terrorismus vor allem die Bewältigung der Flüchtlingskrise.

Die Umsetzung des Aktionsplans der Europäischen Union mit der Türkei, für den die EU drei Milliarden Euro zugesagt hatte, ist bisher kaum vom Fleck gekommen. Das Geld ist noch nicht nach Ankara geflossen, zwischen den EU-Mitgliedstaaten herrscht Streit über die Finanzierung.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Davutoglu versprach die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die baldige Überweisung des Geldes, um die Lebensumstände der Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern.

Umgekehrt gibt es auch bei den Maßnahmen der Türkei zur Reduktion der Zahl von Flüchtlingen, die über die Ägäis auf die sogenannte Balkanroute gelangen, nur langsame Fortschritte. Merkel lobte allerdings, dass die Türkei mittlerweile Arbeitserlaubnisse für syrische Flüchtlinge vergibt – und damit eine Verpflichtung aus dem gemeinsamen Aktionsplan mit der EU einlöst.

Ahmet Davutoglu streute der Hausherrin im deutschen Kanzleramt Rosen für ihre Flüchtlingspolitik, die Merkel im Inland immer mehr unter Druck setzt. Mit der Öffnung der Grenzen für Schutzsuchende habe sie "einen historischen Schritt" im Sinne des "humanen Gewissens der Menschheit" gesetzt.

"Es geht nicht ums Geld"

Davutoglu hatte zuvor bei einem Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos versichert, dass in Berlin nicht um Geld verhandelt werde. "Das ist keine Geldangelegenheit." In einem Gespräch mit Journalisten in Davos betonte er jedoch, dass die EU wegen der Flüchtlingskrise höhere Finanzhilfen als die versprochenen drei Milliarden Euro einkalkulieren müsse. "Drei Milliarden Euro sind nur dazu da, den politischen Willen zur Lastenteilung zu zeigen." Die Türkei habe umgerechnet bereits fast neun Milliarden Euro für Flüchtlinge ausgegeben. Sein Land habe 2,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen und 300.000 weitere aus dem Irak. 62.000 Kinder seien in Flüchtlingslagern in der Türkei geboren worden. Das wirke sich auf die Sozialausgaben aus.

Angela Merkel nahm in Berlin auch auf den Untergang von drei Flüchtlingsbooten in der Ägäis Bezug, bei dem am Freitag mindestens 44 Menschen ums Leben gekommen waren, darunter 20 Kinder. Das Schlepperunwesen müsse gemeinsam bekämpft werden.

Schäuble-Kritik

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble beklagt indes fehlende Abstimmung bei der Entscheidung Österreichs für Obergrenzen für Flüchtlinge. "Ich musste ein bisschen Luft holen, als ich gehört habe, dass diese Entscheidung mit uns nicht sehr eng abgesprochen war", sagte er Spiegel online. Kanzler Werner Faymann reagierte verschnupft: Er habe Merkel am Dienstag über die "Richtung" der Pläne informiert, sagte er der Kronen Zeitung. Die Entscheidungen im Detail seien in Wien gefallen. In Davos hatte Schäuble erklärt: "Die Frage, wie lange wir noch einen solchen Zustrom verkraften, will ich nicht beantworten. Er ist zu hoch." (afs, schub, 22.1.2016)