"Al Hamdulillah!", ruft der Imam zur Begrüßung der Gläubigen – gelobt sei Gott! Und weiter: "Wir sind glücklich über diesen Tag. Alles braucht seine Zeit, aber jetzt ist es so weit." Es ist Freitag, 13 Uhr, fast tausend Betende knien auf dem Boden und berühren mit der Stirn den dunkelroten Teppich – die Männer im Erdgeschoß, die Frauen im ersten Stock, unsichtbar hinter hölzernen Paravents.

Es ist ein großer Tag für die Moschee El Fath in Fréjus: Nach jahrzehntelangem Warten und zum Schluss auch noch einem bitteren Rechtsstreit hat das schlichte, minarettlose Gotteshaus am Morgen seine Pforten geöffnet. Bisher hatte man hier in einer Reihengarage, dann auf der Straße gebetet. Freude herrscht in der Einwanderersiedlung, man umarmt einander, winkt von den Balkonen. Der Präsident des Vereins El Fath (der Name bedeutet unter anderem "Sieg"), Driss Maaroufi, strahlt wie seine blütenweiße Jellaba und meint sogar, der Herr Bürgermeister sei eingeladen, die Moschee zu besuchen.

Bewohner von Fréjus vor der neueröffneten Moschee El Fath.
Foto: APA/AFP/BORIS HORVAT

Der Herr Bürgermeister denkt nicht daran. David Rachline, erst 28, aber schon eine bewährte Kraft im Front National, erklärt in seinem imposanten Rathausbüro, der Kampf gegen die Moschee gehe weiter. Und präzisiert mit erhobenem Finger: "Wir stellen nicht die Kultusfreiheit infrage, wir fechten nur die Baubewilligung an." Diese sei auf betrügerische Weise zustande gekommen und verletze städtebauliche Regeln, denn das Gebäude liege in einem Überschwemmungsgebiet.

Das gilt allerdings für die ganze Wohnsiedlung, ohne dass es in Fréjus mit seinen 53.000 Einwohnern jemals jemanden gestört hätte. In den fünf- bis siebenstöckigen Wohnblöcken zogen in den 60er-Jahren Spanier und Portugiesen ein, gefolgt vor allem von Marokkanern. Sie leben nur wenige Gehminuten vom Jachthafen und der Strandpromenade entfernt – aber doch Lichtjahre jenseits der blitzenden Kulisse der Côte d'Azur. 2011 genehmigte ihnen der bürgerliche Bürgermeister eine Moschee, 2014 begann der Verein El Fath auf eigene Kosten und in freiwilliger Arbeit mit dem Bau.

Gläubige beten am Freitag in der Moschee El Fath in Fréjus.
Foto: APA/AFP/BORIS HORVAT

Das Malheur begann wenige Monate später, als der Front National bei der Gemeindewahl im März 2014 ein Dutzend Orte in Frankreich eroberte. In Fréjus siegte David Rachline nicht zuletzt, weil er gegen die neue Moschee zu Felde zog. Doch die Präfektur, der verlängerte Arm des Zentralstaats (und der Linksregierung im fernen Paris), hat nun deren "provisorische" Öffnung angeordnet. Eine Schlappe, ja, eine Schmach für Rachline? Der Bürgermeister von Fréjus bestreitet das missgelaunt: "Das zeigt nur den Kniefall Frankreichs vor den Glaubensgemeinschaften."

Für den jungen Bürgermeister mit der Statur eines doppelt so alten Notabeln ist die Moscheeöffnung umso bitterer, als er aus Fréjus ein Schaufenster der FN-Ideen machen wollte. Sein konservativer Vorgänger hatte der mediterranen Küstenstadt, in der besonders viele Algerien-Heimkehrer leben, einen Schuldenberg von 140 Millionen Euro hinterlassen. Rachline griff durch: Pensionierte Beamte werden nicht mehr ersetzt, die kommunalen Subventionen zusammengestrichen. Der Quartierverein der Marokkaner-Wohnsiedlung verlor am meisten – mehr als 60 Prozent seines Budgets. Nur die Polizei erhielt mehr Mittel, darunter kugelsichere Westen.

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Der 28-jährige Bürgermeister von Fréjus, David Rachline, kämpft weiterhin gegen die Moschee El Fath.
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Frankreichs Exverteidigungsminister François Léotard (73), früher Bürgermeister von Fréjus, erklärte jüngst, die politische Gesprächskultur in seiner Stadt komme abhanden: "Niemand spricht mehr mit niemandem." Hört man sich in der Stadt um, zucken die meisten Einwohner die Schultern und meinen, sie stellten unter der FN-Führung keine Veränderung im Alltag fest. Auch die Touristen merken nichts. Einem Sommerfestival blieben zwar ein paar Künstler aus Protest fern. Dafür ließen Rachlines Leute an einem anderen Abend eine rechtsextreme Rockband auftreten. Auch das störte nur die kleine linke Lokalopposition im Gemeinderat. Die Sozialistin Insaf Rezagui wirft Rachline aber vor allem vor, dass er der muslimischen Bevölkerung bewusst "würdige" Lebensbedingungen vorenthalte.

Immerhin muss Rachline nun die Modalitäten des Moscheealltags organisieren: In seinem Vorzimmer wartet an diesem Freitagmorgen bereits der regionale Unterpräfekt. Keiner der beiden fährt zur Eröffnung des neuen Gotteshauses, und auch sonst ist keinerlei Behördenvertreter anwesend. Obschon bei jeder Kirchen- und Synagogeneinweihung in Frankreich rot-weiß-blaue Schärpen und flammende Reden zum Inventar gehören. Nicht in El Fath: Hier bleiben die Marokkaner unter sich.

Bei der Eröffnung der Moschee sind keine Behördenvertreter anwesend, die Gläubigen bleiben unter sich.
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Anwesend ist einzig und sehr diskret ein Vertreter des französischen Geheimdiensts. Er grüßt El-Fath-Präsident Maarouf wie einen guten Bekannten, bleibt aber sonst im Hintergrund, wie es sich für seinen Beruf geziemt. Auf Anfrage lässt er freimütig durchblicken, dass er unter anderem darauf achte, ob sich hier "radikale Elemente" breitmachten. Etwas Mühe hat er mit dem Imam, der aus Marokko stamme und kaum Französisch spreche. Er sei aber alt und werde bald durch einen jungen Franzosen ersetzt. Und der sei "in Ordnung", weiß der Polizeiagent.

Abdelkader, ein Arbeiter, der seit 1986 in der Siedlung in Fréjus lebt, ärgert sich über die von der Rechten genährten Gerüchte, im Dunstkreis der Moschee wirke auch eine Handvoll Salafisten. Sein Verein versuche im Gegenteil gefährdete Jugendliche zu mäßigen, bevor sie auf die schiefe Bahn geraten. "Die Terroristen", fügt Abdelkader von sich aus an, "sind keine Muslime, das sind Gauner."

Das ist kein Argument für Rachline. Der FN-Mann hat noch einen Pfeil im Köcher – einen dicken. Er hofft, vor Gericht noch recht zu erhalten. Denn in dem verschachtelten Rechtsstreit um die Moschee hat die Justiz bisher keinen Sachentscheid gefällt. Ende Februar will sie das nachholen. Falls Rachline recht erhält und die Baubewilligung als rechtswidrig bezeichnet wird, müsste die 1,5 Millionen Euro teure Moschee eigentlich abgerissen werden.

Ob die Moschee auch in Zukunft Gläubigen offenstehen wird, ist unklar. Ende Februar will die Justiz einen Entscheid vorlegen.
Foto: Brändle

"In dem Fall würde ich das Gebäude sofort schließen", meint der FN-Bürgermeister. Für die Gläubigen, die so lange auf ein eigenes Gebetshaus warten mussten, wäre das unvorstellbar. "Diese Siedlung war bisher sehr ruhig", sagt ein Lokaljournalist, der das erste Freitagsgebet in der Moschee von Fréjus für "Varmatin" beschreibt. "Aber wenn die Moschee wieder dichtmachen muss, wird es hier übel enden. Sehr übel." (Stefan Brändle aus Fréjus, 25.1.2016)