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Der Tahrir-Platz am fünften Jahrestag der Revolution. Präsident Abdelfattah al-Sisi stoppt Proteste vorerst mit Verboten.

Foto: REUTERS/Mohamed Abd El Ghany

Der Mann an der Kairoer Opernkasse zuckt nur mit den Schultern. Er will nicht bestätigen, dass die Absage sämtlicher Vorstellungen am Wochenende mit dem 25. Jänner zu tun hat. Der heute wiederkehrende fünfte Jahrestag der Revolution, die schließlich das Ende der langen Herrschaft Hosni Mubaraks brachte, ist zu einem Tag der Angst geworden. Das Regime von Präsident Abdelfattah al-Sisi fürchtet, dass sich wieder Menschenmengen auf den Straßen versammeln könnten. Seit Wochen trommeln Regierung und Medien, Proteste seien destruktiv. Von den Kanzeln der Moscheen wurde gar verkündet, Demonstrationen seien gegen islamisches Recht.

Es blieb nicht bei Warnungen. In den vergangenen Tagen wurden in einer Einschüchterungskampagne dutzende junge Aktivisten verhaftet und Kulturzentren geschlossen. Die Ikonen des 25. Jänner scheinen das Ziel der Sicherheitskräfte zu sein. Trotz einigen Mobilisierungsaufrufen der verbotenen Muslimbrüder waren sich Beobachter einig, dass es an diesem Tag nicht zu größeren Menschenansammlungen kommen werde. Dafür sorgt vor allem ein rigoroses Demonstrationsgesetz, das einem Demonstrationsverbot gleichkommt. Alle sozialen Gruppen, die maßgeblich zum Ausbruch der Revolution beigetragen hatten, sind heute geschwächt oder gar verboten. Ihre Mitglieder, von denen viele in Gefängnissen sitzen, werden regelmäßig als Verräter oder Handlanger des Auslands beschimpft.

Sisi preist Erfolge an

In der Lesart der neuen Führung, die sich nach dem blutigen Sturz der Muslimbrüder im Sommer 2013 etabliert hat, gibt es durchaus Errungenschaften der Revolution des 25. Jänner. Das Außenministerium zählt in einer Medienkampagne "faire Präsidentschaftswahlen 2014", "eine neue Verfassung" und "ein in der Geschichte am stärksten diversifiziertes Parlament" auf. Dass die Wahlbeteiligung miserabel war und es praktisch keine Opposition gibt, wird nicht erwähnt. Eine Reform des Staatsapparats und der politischen Institutionen ist nach der Revolution weitgehend ausgeblieben. Die Fäden werden immer noch hinter den Kulissen gezogen.

Furcht der Regierung

Politologe Dia Rashwan sieht in einer lokalen Zeitung aber auch Bleibendes: Im Gegensatz zu früheren, unantastbaren Pharaonen hätte der jetzige, Sisi, mit seinem ganzen Apparat Angst. Das sei das unverrückbare Verdienst der Revolution. Doch vor allem zeigt die Furcht der Regierung, dass man kein Vertrauen in den politischen Neuaufbau hat und etwa dem Parlament nicht zutraut, dass es die Begehren der Bürger kanalisieren kann.

Mit dem neuen Parlament ist vor wenigen Tagen die Zeit der Präsidialdekrete zu Ende gegangen. In dieser Zeit wurden viele Gesetze verordnet, die die Grundfreiheiten der Menschen einschränken. Das neue Parlament hat sie nun fast ausnahmslos durchgewinkt.

Die Folge dieser Gesetze – aber auch von polizeilicher Willkür – sind Verhaftungen von Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Wissenschaftern. Menschen verschwinden. In den Polizeistationen wird gefoltert. Es werden Nachrichtensperren verhängt. Ausländische NGOs und Thinktanks – am vergangenen Donnerstag die deutsche Friedrich-Naumann-Stiftung – verlassen wegen der immer strikteren Restriktionen Ägypten. Menschenrechtler sind sich einig, die Zeiten heute sind schlimmer als unter Mubarak.

Terror und Mammutprojekte

Präsident Sisi hat nur zwei Prioritäten: den Kampf gegen den islamistischen Terror und die Ankurbelung der Wirtschaft mit Mammutprojekten. Ein Konzept etwa, wie mit den Mitte 2013 entmachteten Muslimbrüdern und ihren Anhängern umgegangen werden soll, von denen sich viele nun radikalisieren, hat er nicht. Täglich gibt es Verhaftungen, aber fast täglich werden auch Urteile gegen Muslimbrüder revidiert, Strafen gemildert oder ausgesetzt. Die Art, wie heute regiert würde, erinnere ihn an die Zeit vor der Revolution des 25. Jänner, sagte jüngst der einflussreiche Geschäftsmann und Gründer einer liberalen Partei Naguib Sawiris.

Die Popularität des Regimes schwindet, vor allem wegen der andauernden Wirtschaftskrise. Die Leute würden unter den Preissteigerungen und unter den öffentlichen Dienstleistungen leiden, die jeden Tag schlechter würden, sagt der junge Schriftsteller Omar Hazek. Irgendwann würden die Menschen ihr Schweigen brechen, ist Hazek überzeugt, der sein Engagement für Redefreiheit schon mit Gefängnis, Jobverlust und Reiseverbot bezahlt hat. Was derzeit in Tunesien passiere, das sei auch ein mögliches Szenario in Ägypten. (Astrid Frefel aus Kairo, 25.1.2016)