Hans Kary ist in der Lage, das Leben zu finanzieren.

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Wien – Hans Kary ist nie feig gewesen. Goschert war er, ein Gambler, der fast alles auf eine Karte gesetzt hat. Als Tennisspieler wollte er die Welt erobern. Dabei haben ihm Freund und Feind abgeraten. Er sei völlig bescheuert, haben sie gesagt, ein legendärer Depp, das klappe nie. "Das hat mich bestärkt, es zu versuchen."

Der Feldzug sollte zum Teil glücken. Die große Welt scherte sich um den nur 1,72 Meter großen Kärntner kaum. Anderseits ist sie zu ihm auch nicht hundsgemein gewesen. Sie ließ ihn gewähren, er stellte ja keine große Gefahr dar, löste keine Krisen aus. Wobei die Rückhand des stämmigen Linkshänders (Kampfgewicht 72 Kilo) eine Waffe war. Kary ist zudem schnell auf den Beinen gewesen, er rannte die Grundlinie auf und ab – einen Ball aufgeben? Sicher nicht! "Eigentlich habe ich die Welt eh erobert, ich bin überall gewesen, in Afrika, in der Karibik, in Australien. Ich habe bei Familien gewohnt, Hotels konnte ich mir nicht leisten. Meine wichtigste Eroberung war, Menschen kennengelernt zu haben. Das würde ich nie gegen viel Geld tauschen."

Kary zur Miete

Kary, mittlerweile fast 67 Jahre alt, spielt immer noch Tennis. Bis zu viermal in der Woche, meistens im dritten Wiener Bezirk, in der Baumgasse. "Momentan bin ich verletzt." Im Alter nehmen Zerrungen und Rückenbeschwerden zu, Kraft und Kondition dafür ab, es gleicht sich eben alles nicht aus.

Man kann Hans Kary mieten. Firmen tun das, die Nachfrage ist zwar nicht ausufernd, aber doch recht groß. Er hat keine Website, keinen Agenten, Mundpropaganda reicht. "Vor kurzem wurde ich einem Industriellen zum 75. Geburtstag geschenkt. Wir haben Tennis gespielt, dann sind wir beisammengesessen, ich habe Geschichten erzählt. Lustig war's." Der Tarif beträgt rund 500 Euro. "Für einen gesamten Nachmittag, ich schaue nicht auf die Uhr. Ich bin das ideale Geburtstagsgeschenk." Der Kunde darf ihn selbstverständlich Hansi nennen. "Ich war immer ein Mann fürs Volk, absolut nahbar."

Kary wurde am 23. Februar 1949 in Spittal an der Drau geboren – zwei ältere Brüder, der Papa, ein Eisenbahner, war selten daheim, die Mama ziemlich oft. "Wir waren eher arm." Die Wohnung, nichts Besonderes, schon mit Türen und Fenstern, aber doch an der Grenze zur Baracke. Gegenüber lag ein Tennisplatz, der hat den kleinen Hansi neugierig gemacht. "Es war ein Sport für die reichen Leute, eigentlich nichts für mich." Hätten die Karys vier Gassen weiter gehaust, "wäre mein Leben anders verlaufen". Die Schule ist ihm "so was von wurscht" gewesen, eine Lehre zum Zimmermann hat er später über sich ergehen lassen. Er verbrachte die Freizeit in der Tennisanlage, durfte Bälle klauben, bekam sogar zwei Schilling pro Tag. Herr Vanzo, Italiener von irgendwo und Tennislehrer von der anderen Straßenseite, hat mit dem Zwergerl geübt. Ihm ist die Begabung nicht entgangen. "Er war mein Entdecker."

Siege gegen Größen

Als 15-Jähriger wurde Kary Stadtmeister, bis Villach hat sich das herumgesprochen, in Radenthein haben sie davon gehört, er wurde als Praktikant angestellt. Arbeitsbefreiung inklusive. "Ich bekam 3000 Schilling im Monat, damit ich mir die Karriere finanzieren kann." Kary begann seine kleine Eroberung. Mit dem Zug ist er nach Barcelona gefahren, 48 Stunden hat die Reise gedauert, Holzklasse. Ein Tennisschläger kostete damals 600 Schilling, ein Arbeiter verdiente 1000. "Es war ein Wertgegenstand." Da es Thomas Muster erst Jahrzehnte später geben sollte, musste ein Vorbild aus Australien herhalten. "Rod Laver. Er war seiner Zeit voraus. Sein Unterarm war so dick wie mein Oberarm." Der junge Kary spielte in Indien eine Turnierserie. Dieser Aufenthalt sollte ihn prägen. "Kinder lagen in Laken. Diese Erfahrung hat mich Demut gelehrt. Auf einmal war die Baracke in Spittal ein Schloss."

Mit 18 debütiert er im Daviscup, es wurden 58 Partien, im Einzel schafft er 22 Siege (15 Niederlagen). Als Höhepunkt bezeichnet er den Erfolg gegen Großbritannien 1970 in Edinburgh. "Es war nebelig, im Radio hat ein gewisser Fred Perry kommentiert. Er hat gesagt, der kleine Kärntner muss gut sein, leider sehe ich ihn kaum."

Karys Beliebtheitswerte steigen, er wirbt im Fernsehen für ein Waschmittel, ist diesbezüglich auf einer Stufe mit Annemarie Pröll und Niki Lauda. Mit Hugo Simon dreht er einen Zahnpasta-Spot, Simon beißt kraftvoll in den Apfel, der sich blutrot färbt, worauf Simon schockiert ist. Kary beißt auch kraftvoll zu, der Apfel bleibt Apfel, der Hansi klärt strahlend auf. "Weil ich die richtige Zahnpasta verwende." Er schlägt Größen wie Stan Smith, Ilie Nastase, Manuel Orantes oder Wojtek Fibak. Im besten Jahr verdient er 70.000 Dollar brutto, "aber mit den Steuern nahm man es nicht so genau".

Nach Hansi kam Horsti

In Österreich macht ein gewisser Peter Feigl auf sich aufmerksam, an Beliebtheit kommt er nie an Kary heran. Das Verhältnis ist nicht gerade von Herzenswärme geprägt, 1979 schlägt Kary im Finale von Lagos Feigl, es sollte sein einziger Turniersieg bleiben. Bis auf Platz 54 der Weltrangliste schafft er es. Das Ende der Karriere ist fließend verlaufen. "Ich kann nicht sagen, was meine letzte Partie war." In ein Loch ist er nicht gefallen. "Die Leute haben mich aufgefangen, ich bin der Hansi geblieben."

Nach dem Hansi tauchte der Horsti auf. Horst Skoff, auch ein kleiner Kärntner, aus Kühnsdorf. Ein Seelenverwandter. "Wir hatten beide keine schöne Jugend. Er war ein Revoluzzer, ich war auch verrückt. Aber ich wusste, dass es Grenzen gibt, habe zurückgezogen. Er ist aufs Ganze gegangen. Tragisch." Skoff starb 2008 39-jährig. "Mir war er näher als Muster. Wobei Musters Leistungen phänomenal waren."

Kary ist mit sich im Reinen. "Daviscup-Kapitän wäre ich gerne gewesen, hat nie geklappt, ist eine Niederlage." Seine um drei Jahre ältere Ehefrau ist ein Pflegefall, sie leidet an Parkinson. "Ich möchte, dass es ihr besser geht. Ich selbst will Tennis spielen, bis ich umfalle. Und dann wünsche ich mir, dass die Menschen weniger aggressiv sind." Er hätte noch viele Geschichten zu erzählen. "Wann ist dein Geburtstag?" (Christian Hackl, 25.1.2016)