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Schaufensterpuppen in Rettungswesten: Die NGO Amnesty International fuhr mit einem Boot, wie es Flüchtlinge in der Ägäis nutzen, in den Amsterdamer Hafen. In der niederländischen Stadt findet am Montag ein EU-Innenministerrat statt.

Foto: AP Photo/Peter Dejong

Wien – Griechenland gerät in der Flüchtlingskrise massiv unter Druck. Mehrere EU-Innenminister forderten Athen bei ihrem informellen Treffen am Montag in Amsterdam eindringlich auf, seine Grenzen besser zu schützen. Griechenland wies die Vorwürfe zurück. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos verteidigte das Schengen-System. "Schengen steht nicht auf dem Spiel," sagte er vor Beginn des Treffens.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte bei dem EU-Innenministerrat am Montag erneut, dass Griechenland seine EU-Außengrenze sichern müsse. Wenn dies nicht gelinge, "bewegt sich die Schengen-Außengrenze Richtung Mitteleuropa". Es sei "ein Mythos, dass die griechisch-türkische Grenze nicht zu schützen sei. Denken wir an die Marine in Griechenland. Die hätte ausreichend Kapazitäten, um die Grenzen zu schützen," so die Innenministerin.

Zu ihrer jüngsten Forderung, notfalls Griechenland aus Schengen auszuschließen, sagte Mikl-Leitner, "es ist einfach Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen. Jeder weiß, dass es wichtig und notwendig ist, die europäischen Außengrenzen zu sichern und dass die EU erst dann wieder ihre Handlungsfähigkeit zurück bekommt".

Unterstützung für ihre Forderung bekam Mikl-Leitner vom belgischen Innenminister Jan Jambon. Die Position Griechenlands in Schengen "müssen wir unter die Lupe nehmen", erklärte Jambon. "Griechenland muss zuerst und vor allem das tun, was sie tun müssen, nämlich Kontrolle, und wenn das nicht der Fall ist, dann müssen wir doch einmal gut darauf schauen."

Die Regierung in Athen müsse "ihre Hausaufgaben" machen und die Grenze besser sichern, forderte auch der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere am Montag. Es sei ein "dauerhafter, spürbarer, nachhaltiger Rückgang der Flüchtlingszahlen" schon in den nächsten Wochen nötig. "Die Zeit läuft uns davon."

Griechenland ist für viele Flüchtlinge das Eintrittstor nach Europa. Hunderttausende sind in den vergangenen Monaten von der Türkei aus nach Griechenland übergesetzt und auf der sogenannten Balkan-Route weitergereist, vor allem nach Österreich und Deutschland.

Griechenlands Migrationsminister Ioannis Mouzalas wies am Montag die Vorwürfe, wonach Griechenland nicht genug zum Schutz der EU-Außengrenze unternehme, als "unfaires Schwarzer-Peter-Spiel" zurück. "Wir sind es müde zu hören, dass wir unsere Grenzen nicht sichern können." Die Seegrenze zur Türkei könne nicht abgedichtet werden. "Was wollen Sie, dass wir tun?", fragte er. "Nach internationalem Recht, nach dem Seerecht, nach der Genfer Konvention, nach europäischem Recht und nach griechischem Recht ist die einzige Handlungsoption, (die Leute) zu retten."

Auf die jüngste Drohung von Mikl-Leitner mit einem Schengen-Ausschluss Athens ging er nicht näher ein. Griechenland sei für die Flüchtlinge nicht das Tor nach Europa, sondern der erste Teil des Korridors. Mouzalas sprach sich außerdem gegen eine Entsendung von EU-Beamten der Grenzschutzagentur Frontex in das Nachbarland Mazedonien aus, dies wäre "illegal".

Nach Angaben der EU-Kommission ist der Ausschluss eines Landes aus der Schengen-Zone oder die Aussetzung ihrer Regeln gar nicht möglich. "Beides sind Möglichkeiten, die es nach den aktuellen Regeln nicht gibt", erklärte eine Sprecherin in Brüssel.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos unterstrich in Amsterdam: "Nichts dergleichen ist vorgeschlagen oder diskutiert worden." Vielmehr komme es darauf an, Länder an den Außengrenzen der EU besser zu unterstützen. Ein Vorschlag der EU-Kommission, wonach die europäische Grenzschutzagentur Frontex zur Not auch gegen den Willen eines Landes dort aktiv werden könnte, sollte bei dem Ministertreffen ebenfalls besprochen werden.

Mikl-Leitner verteidigte bei dem Treffen erneut auch den österreichischen Beschluss für Obergrenzen bei Flüchtlingen. "Die Obergrenze bleibt", betonte sie. "Ich bin fest überzeugt, wer Flüchtlinge aufnehmen, integrieren will, braucht eine Obergrenze. Weil unsere Ressourcen auch Grenzen haben", erklärte sie. "Keiner hat was davon, Flüchtlinge aufzunehmen, um sie dann in die Obdachlosigkeit entlassen zu müssen. Ja, es braucht auch hier Obergrenzen", so Mikl-Leitner.

Proteste gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik gab es am Rande des Innenministertreffen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Innenminister mit einem echten Flüchtlingsboot, dass in Amsterdam, vor dem Landungssteg, an dem ein Großteil der Minister per Schiff ankam, kreuzte, zum Handeln aufgefordert. An Bord waren dutzende Schaufensterpuppen, die Flüchtlinge darstellen sollten. Auf einem Beiboot war der Slogan zu lesen: "Politiker Europas, Ihr solltet Euch nicht um die Umfragen sorgen, sondern um die Geschichtsbücher." Die Menschenrechtsorganisation forderte mit der Aktion legale Wege für Flüchtlinge nach Europa, ein Programm zur direkten Umsiedlung von Menschen aus Krisengebieten sowie mehr Geld, um die Lage in den Herkunftsländern zu verbessern. (APA, 25.1.2016)