Wien – Wer vertritt Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) im Verhinderungsfall als erstes – FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus oder die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou? Aufgrund des unklaren rechtlichen Rahmens gab es nach der Wien-Wahl über die Reihenfolge der Vertretung Debatten. Ein von den Blauen beauftragtes Gutachten kommt nun zum Schluss: Der "erste" Vize Häupls muss Gudenus sein.

Das siebenseitige Schreiben, das der APA vorliegt, wurde vom Linzer Verwaltungsrechtler Andreas Hauer erstellt. Dieser kommt nach diversen Erörterungen zum eindeutigen Schluss: "Der Wiener Bürgermeister Dr. Michael Häupl wird ... im Verhinderungsfall durch Vizebürgermeister Mag. Johann Gudenus und – wenn auch dieser verhindert ist – durch Mag. Maria Vassilakou vertreten."

Erstmals blauer Vizebürgermeister

Zum Hintergrund: Die FPÖ stellt mit Gudenus in dieser Legislaturperiode erstmals einen Vizebürgermeister, obwohl die Blauen nicht in Regierungsfunktion sind. Möglich ist das, weil die Stadtverfassung vorschreibt, dass einer Fraktion dieser Posten automatisch zusteht, wenn sie mehr als ein Drittel der 100 Mandate innehat. Die Freiheitlichen schafften beim Wiener Urnengang im Oktober 34 Mandate.

Der andere Vizeposten wäre der SPÖ als stärkste Fraktion zugestanden. Für diesen Fall hätte die Stadtverfassung klar den SPÖ-Vertreter als "ersten" Vize Häupls gesehen. "Gehören die Vizebürgermeister verschiedenen Parteien an, dann wird der Bürgermeister von jenem Vizebürgermeister vertreten, der der stärksten Partei des Gemeinderates angehört. Ist auch dieser verhindert, so wird der Bürgermeister von dem anderen Vizebürgermeister vertreten", heißt es dazu in Paragraf 94, Absatz 2 der Stadtverfassung.

"Lücke im Regelungssystem"

Die komplizierte Ausgangslage ergibt sich allerdings daraus, dass die SPÖ ihren Vizeposten freiwillig den Grünen und damit Vassilakou überlassen hat. Die Vorgangsweise für diesen Fall – also dass keiner der beiden Stellvertreter der stärksten Partei angehört – ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen und stelle damit "eine Lücke im Regelungssystem" dar, hält Hauer fest.

Der Gutachter argumentiert, dass diese Lücke nun in Analogie zur "sachnächsten Regelung" – also zum vorhin zitierten Paragraf 94, Absatz 2, der Stadtverfassung – zu füllen sei. Dieser beruhe auf den Prinzipien, dass unter anderem auf die Stärke der Parteien des Gemeinderates abzustellen sei und eine Reihenfolge nach der Stärke der verschiedenen Parteien des Gemeinderates vorzunehmen sei. "Damit liegt ... nahe, dass auch in dem Fall, in welchem keiner der beiden Vizebürgermeister der stärksten Partei des Gemeinderates angehört, nach der Parteiangehörigkeit und nach der (relativen) Stärke der Parteien zu reihen ist", interpretiert der Uniprofessor. Das entspreche auch dem Gedanken demokratischer Repräsentation: "Der Bürgermeister soll zunächst durch jenen Vizebürgermeister vertreten werden, der ... den stärkeren Rückhalt im Wahlvolk hat."

Gutachten: Stimmenstärkste Partei stellt Vize

Nach dieser Logik sieht die Vertretungsreihenfolge Gudenus vor Vassilakou. Denn die FPÖ verfügt derzeit über 34 Mandate, die Grünen über lediglich zehn. Der eventuelle Einwand, Vassilakou sei ja auf Vorschlag der SPÖ und damit doch von der stimmenstärksten Partei zur Vize gewählt worden, verfange nicht, meint Hauer. Denn die Stadtverfassung stelle klar auf die Angehörigkeit zu Parteien ab und nicht auf Vorschlagsverhältnisse.

FPÖ-Klubchef Dominik Nepp freut sich wenig überraschend über das Ergebnis des beauftragten Gutachtens. Man werde Häupl mit dem Gutachten konfrontieren, "wenn er das nächste Mal einen anderen Vertreter schickt und damit die Stadtverfassung bricht", kündigte er an.

Im politischen Tagesgeschäft ist es Usus, dass Häupl Vertreter der Regierungsparteien schickt, wenn er selbst einen Termin nicht wahrnehmen kann. Zuletzt gab es jedoch auch hier eine Ausnahme. Die Angelobung des neuen City-Bezirksvorstehers Markus Figl (ÖVP) wurde auf Bitte des Stadtchefs vom nicht amtsführenden VP-Stadtrat Gernot Blümel vorgenommen. Der Wunsch der Blauen, dass Gudenus dies tun darf, wurde von Häupl nicht gebilligt. (APA, 25.1.2016)