Bild nicht mehr verfügbar.

Ted Cruz will Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden. Dafür warb er auch in in einem Diner im Missouri Valley im Bundesstaat Iowa. Das Lokal im Bericht ist ein anderes.

Foto: REUTERS/Mark Kauzlarich

Für Auslandskorrespondenten gilt ja die goldene Regel, dass man nicht mit Taxifahrern reden soll, auch nicht mit Kellnerinnen, um die Stimmung zu eruieren. Besser gesagt, reden kann man schon mit ihnen, nur zitieren sollte man sie nicht. Ob Taxifahrer oder Kellnerin, beides klingt ziemlich arg nach Klischee. Was aber nichts daran ändert, dass es mitunter sehr hilfreich sein kann, eine Kellnerin nach der Stimmungslage zu fragen.

Bei Mickey's, einem Diner in Bettendorf, Iowa habe ich das gemacht. Bei Mickey's, die Tischplatten aus zerkratztem Resopal, bieten sie einen Lunch, Schweinsbraten mit Püree, dazu Suppe und Salat vom Buffet und – ganz wichtig für übernächtigte Amerikakorrespondenten, die wegen der Zeitdifferenz zu Mitteleuropa chronisch früh aus den Federn müssen – unbegrenzt Kaffee. Das alles für neun Dollar und 25 Cent.

Die Kellnerin also, nennen wir sie Gail, ihren richtigen Namen möchte sie nicht in der Zeitung sehen, beantwortete meine Frage zunächst mit dem freundlichen Hinweis, dass sie der goldenen Regel folge, über zwei Dinge überhaupt nicht zu reden mit ihren Gästen: erstens Politik, zweitens Religion. Bei einem Ausländer, muss sie dann wohl beschlossen haben, könne sie eine Ausnahme machen, vielleicht weil sich Ausländer dem amerikanischen Demokraten-versus-Republikaner-Schema entziehen.

"Donald Trump, nein danke"

Was sie von den Kandidaten halte? "Wissen Sie, eigentlich ist niemand dabei, der mir gefällt. Und wie die Republikaner aufeinander einhacken – nicht zum Aushalten." Einen aber, fügte Gail hinzu, wolle sie auf keinen Fall im Weißen Haus sehen. Sachte Nachfrage, kurze Verlegenheitspause, dann sprudelte es aus ihr heraus. Donald Trump, nein danke! Der Mann sei einfach ein Rassist, was solle sie da um den heißen Brei herumreden. In einem habe er zwar recht: dass man amerikanische Interessen resoluter verteidigen müsse. Aber wie er gegen Mexikaner und Muslime hetze – no way! Die Kellnerin, erfährt man, stammt von Cherokee-Indianern, irischen und deutschen Einwanderern ab. Sie ist alleinerziehende Mutter eines autistischen Mädchens, das regelmäßig ärztlicher Behandlung bedarf.

Früher war das kein Thema. Gail und ihre Tochter waren, zu subventionierten Prämien, über den Bundesstaat Iowa versichert. Dann kam die Gesundheitsreform, die Subventionen blieben, allerdings waren neue Anträge zu stellen, neue Formulare auszufüllen. Ohne kompetente Beratung machte Gail Fehler, sodass sie den Papierkram ein zweites, ein drittes Mal erledigen musste. Die Mühlen der Bürokratie mahlten langsam; elf Monate vergingen, bis sie korrekt versichert war. Und nun muss sie mit ihrer Tochter nach Des Moines fahren, weil ihr alter Arzt nicht mehr auf der Liste derer steht, die sie nach dem reformierten System aufsuchen darf. Die Gründe dafür kennt sie nicht.

Zweifel an Barack Obama

Von Bettendorf nach Des Moines sind es drei Stunden im Auto, sechs hin und zurück. "Kommt nicht infrage, ich muss doch Geld verdienen", sagte die Mittvierzigerin. Die Laune des Systems ist einer der Gründe, wie mir schien, der wichtigste, dass sie nun auch an Barack Obama zweifelt, dem Präsidenten, den sie einst wählte. Hillary Clinton? Würde sicher keine schlechte Politik machen, schleppe aber zu viel Gepäck mit sich herum. "Too much baggage": Es ist die Chiffre dafür, dass sich die Frau, die im Rampenlicht steht, seit ihr Mann Bill 1979 in die Gouverneursvilla von Little Rock einzog, schon zu oft gegen Vorwürfe verteidigen musste, von einem windigen Grundstücksgeschäft in Arkansas bis hin zur Affäre um dienstliche E-Mails auf privatem Server. Bei Mickey's sprechen sie von einem Glaubwürdigkeitsproblem. Dennoch, in Gails Augen ist Hillary um einen Deut besser als die Alternativen. Das kleinere Übel, wenn man so will. (Frank Herrmann, 5.2.2016)