Wien – Wenn Statistikbehörden offizielle Inflationsraten präsentieren, ist der Aufschrei in Internetforen oft groß: Alles nur geschönt, in Wahrheit würden die Preise ja viel stärker steigen, heißt es. Die Statistik Austria hat vor zwei Jahren mit einem Online-Tool darauf reagiert, mit dem sich nun jeder seine ganz persönliche Inflationsrate ausrechnen kann.

Wer ein Haus oder eine Wohnung besitzt, hat der Tendenz nach demnach eine viel geringere persönliche Inflationsrate. Denn Mieten sind im Vorjahr mit 4,4 Prozent wieder überdurchschnittlich stark gestiegen. Das erklärt zumindest zum Teil, wieso Statistiken oft nicht mit dem Bauchgefühl vieler zusammenpassen. Eine Auswertung der Statistik Austria für den STANDARD zeigt, dass die Teuerung für die zehn Prozent der heimischen Haushalte mit den geringsten Ausgaben im Vorjahr mit 1,2 Prozent viermal so hoch war wie für die obersten zehn Prozent.

In der Tendenz könne man mit diesen Zahlen auf die Inflationsrate für Arme und Reiche schließen, sagt Ingolf Böttcher von der Statistik Austria, auch wenn sie nicht die Einkommen, sondern die Ausgaben der Haushalte berücksichtigen. Diese Entwicklung ist nicht neu: In den vergangenen neun Jahren war die Inflation für die untersten zehn Prozent fast immer höher als für die oberen zehn Prozent.

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Die Daten lassen aber keinen exakten Schluss auf eine Inflationsrate für Arme und Reiche zu, weil darin nicht berücksichtigt wird, wie viele Leute in einem Haushalt wohnen. Ein Drei-Generationen-Haushalt mit sieben Köpfen gibt automatisch mehr Geld aus als ein Single-Haushalt und rutscht damit in der Statistik nach oben. Deswegen ist er aber noch lange nicht reich.

Genaue Berechnungen der Inflationsraten für ärmere und reichere Haushalte gebe es nicht, sagt Josef Baumgartner vom Wifo. In den vergangenen fünf Jahren habe die Teuerung aber sicherlich Menschen mit niederen Einkommen stärker getroffen, so der Ökonom. Sie geben deutlich mehr für Wohnen und Lebensmittel aus, die zuletzt stärker im Preis gestiegen sind.

2015 war eine Ausnahme, weil Nahrungsmittel im Schnitt nur um 0,5 Prozent teurer wurden, während die allgemeine Inflation 0,9 Prozent betrug. Außerdem sind die Sprit- und Energiepreise stark zurückgegangen. Gleichzeitig waren Restaurants und Hotels der größte Preistreiber im Vorjahr.

Es ist aber alles andere als ein Naturgesetz, dass die Inflationsrate für ärmere Menschen automatisch höher ausfallen muss. Ein Blick auf die Daten der Statistik Austria zeigt, dass in den 1990ern die Preise für Nahrungsmittel deutlich schwächer gestiegen sind als der allgemeine Preistrend. "Damals haben Spar, Rewe und Hofer den Handel noch nicht so dominiert wie heute", sagt Baumgartner. "Bei uns haben die Diskonter außerdem nie so Fuß gefasst wie in Deutschland."

Realeinkommen schrumpfen

Außerdem seien in den vergangenen Jahren nur mehr die Einkommen der Besserverdiener, des obersten Viertels, gestiegen. "In der unteren Hälfte sind sie geschrumpft, in der Mitte eher konstant", sagt der Wifo-Ökonom. Zusätzlich dazu würden die Einkommen von Geringverdienern tendenziell überschätzt. Um das reale Einkommen zu berechnen, wird nämlich die eigentlich zu niedrige Inflationsrate abgezogen. (Andreas Sator, 25.1.2016)