Der ÖVP-Politiker Mahrer streut heimischen Start-ups Blumen: "Wir brauchen diese jungen, wagemutigen Abenteurer und Entdecker mit ihren neuen Ansätzen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme." Der 42-Jährige ist seit 2014 Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

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Wirtschaftsstaatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) will heimischen Start-ups stärker unter die Arme greifen. Etwa mit einem Steuerzuckerl für Investitionen und Kindergärten, in denen spielerisch Programmieren erlernt werden soll.

STANDARD: Sie haben einen guten Ruf in der heimischen Start-up-Community. Ungewöhnlich für einen Politiker, oder?

Mahrer: Ich bin viel bei Veranstaltungen der Community. Mir gefällt es, Leute zu treffen, die idealistisch sind und etwas verändern wollen. Im Gegensatz zu den meisten Gründern der 1990er-Jahre, die mehrheitlich geldgetrieben waren.

STANDARD: Ja, gerade bei IT-Start-ups ging es nur darum, schnelle Kohle zu machen.

Mahrer: Das ist jetzt völlig anders. Heute geht es den meisten darum, etwas Sinnstiftendes zu arbeiten und damit Geld zu verdienen – die klassische Kombination aus "money and meaning". Und ich finde es cool, dass es eine echte Leistungsorientierung mit Langfristperspektive gibt. Denn ich muss ja auch etwas verdienen, damit ich wieder reinvestieren kann, und wenn ich ordentlich reinhackle, kann ich mir was leisten. Toll ist, dass es in der Start-up-Community keinen Neid gibt.

STANDARD: Österreich hat sich diesbezüglich verändert?

Mahrer: Die Jüngeren schon. Bisher galt, wenn man unternehmerisch erfolgreich ist, dann hatte man ein Problem. Das war verdächtig. Dann wurde gefragt: Wie hat der das Geld bekommen? Warum er und nicht ich? Derartiges gibt es in der Community nicht. Als Florian Gschwandtner, Mitgründer von Runtastic, auf Facebook schrieb, dass er sich seinen Kindheitstraum erfüllt hat, indem er sich einen Porsche 911 gekauft hat, gab es nicht nur hunderte Likes, sondern auch Zuspruch dafür, dass er das öffentlich gemacht hat. Österreich beginnt sich schön langsam zu verändern.

STANDARD: Außerhalb der Community sieht die Welt wohl anders aus. Als der Ditech-Gründer Damian Izdebski pleiteging und mit einem neuen Unternehmen startete, gab es im Netz zahlreiche hämische Postings.

Mahrer: Ich habe das verfolgt, und ich finde es gut, dass er nochmals durchstartet. Scheitern ist ein möglicher Teil des Unternehmertums. Ohne eine Kultur des Scheiterns kann sich kein Wirtschaftsstandort weiterentwickeln. Ohne Scheitern kein Lernen.

STANDARD: Wo lernt man diese Kultur?

Mahrer: Ich finde, dass wir leider in den letzten 20 bis 30 Jahren mit unserem Bildungssystem unseren Kindern ab dem Zeitpunkt, ab dem sie in die Volksschule kommen, ihre Neugierde, ihren Wissensdurst, ihr spielerisches Talent systemisch abtrainieren. Und damit auch ein gewisses Ausmaß an Risikoorientierung. Spielerisch heißt, ich kann gewinnen, muss aber nicht gewinnen. Aber ich lerne auf jeden Fall. Dass wir dies bis jetzt nicht erfolgreich umsetzen, ist das Drama unseres Bildungssystems.

STANDARD: Das Bildungssystem wird auch von zahlreichen Start-ups kritisiert. Neben den hohen Lohnnebenkosten ...

Mahrer: Die sind auch zu hoch.

STANDARD: ... wird darüber geklagt, dass man nur schwer gute Leute in Österreich findet.

Mahrer: Es ist schwer, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, die man sich leisten kann. IT-Start-ups haben extreme Probleme, Programmierer zu finden. Da sind wir wirklich schwach. Wir können aus Bratislava oder Prag oder noch weiter weg Programmierer abziehen, aber für eine nachhaltige Entwicklung ist das zu wenig, da brauchen wir definitiv mehr.

STANDARD: Bessere Schulen.

Mahrer: Andere Länder versuchen, Kindern schon im Kindergarten Programmierung spielerisch näherzubringen. Das österreichische Start-up Robo hat einen Roboter entwickelt, der von Kindern programmiert werden kann. Solche Dinge werden wir in Zukunft mehr und mehr sehen.

STANDARD: Die Lösung des Problems kommt wiederum von einem Start-up?

Mahrer: Ja, ich glaube, die Community ist der Schlüssel für die Transformation unseres Wirtschaftssystems in die Wissensgesellschaft. Wir brauchen diese jungen, wagemutigen Abenteurer und Entdecker mit ihren neuen Ansätzen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme. Und die muss man dabei unterstützen.

STANDARD: Die fordern derzeit nachdrücklich bei der Beteiligung von Firmen im Gegenzug einen Unternehmensbeteiligungsfreibetrag – einen steuerlichen Anreiz.

Mahrer: Verständlicherweise. Dieser würde die Beschaffung von privatem Eigenkapital erleichtern, da Banken aufgrund europäischer Finanzmarktregulatorik gewisse risikoreiche Kredite nicht mehr vergeben dürfen. Der Beteiligungsfreibetrag steht auf meiner Liste ganz oben. Wenn ich Mittel aktivieren will, dann muss ich einen Anreiz schaffen. Und die Absetzbarkeit ist ein Anreiz.

STANDARD: Wie realistisch ist die Umsetzung? Steuerzuckerln für Unternehmer sind nicht gerade sehr populär.

Mahrer: Erstens: Es ist kein Zuckerl. Jeder soll investieren können. Zweitens: Es ist ein Bohren dicker Bretter, aber am Ende des Tages müssen die Argumente ziehen: Wir wollen neue Innovationen und neue Jobs.

STANDARD: Soll sich die Republik Österreich auch an Start-ups beteiligen? Das wäre eine starke Förderung.

Mahrer: Machen wir in einem eher geringen Umfang über die Austria Wirtschaftsservice bereits. Sehe ich aber sekundär. Wir konzentrieren uns auf die Start-up-Förderung in der Frühphase, wenn der private Markt wegen des extremen Risikos oft auslässt.

STANDARD: Wenn ein Start-up Förderungen bekommen hat und verkauft wird, soll der Staat von dem Deal auch etwas haben?

Mahrer: Bei Förderungen zum Start eines Unternehmens macht es keinen Sinn. Wenn wir mit einer Beteiligung mit dabei sind, kann ich mir das sehr gut vorstellen. Zusätzlich sind wir in Südostasien aktiv. Dort wird zukünftig die Musik spielen, deswegen wollen wir uns in dieser Region als Landeplatz Richtung Europa positionieren. Wir setzen strategisch auf die Wirtschaftsräume, von denen wir wissen, dass sie auch die nächsten zehn bis 20 Jahre die Innovationshotspots schlechthin sind. Das funktioniert schon sehr gut. (Markus Sulzbacher, 27.1.2016)