Das AMS speichert beim Hauptverband, wer Jobangebote verweigert

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Die Länder würden aber nicht ausreichend auf die Daten zugreifen, beklagt AMS-Vorstand Herbert Buchinger

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Wien – Bei der Mindestsicherung soll stärker darauf geachtet werden, dass bestehende Sanktionsmöglichkeiten auch tatsächlich genutzt werden. So weit waren sich SPÖ, ÖVP und die Länder vergangene Woche beim Asylgipfel einig. Vereinbart wurde, dass das Arbeitsmarktservice (AMS) den Ländern "tagesaktuell" alle Informationen zur Verfügung stellen soll, wer Kurs- oder Jobangebote verweigert.

Für AMS-Vorstand Herbert Buchinger ist das "technisch kein Problem", wie er im Gespräch mit dem STANDARD sagt. Schon jetzt übermittle man einmal im Monat alle Daten zu Vormerkzeiten, Leistungsbezug und Verweigerungsverhalten. Wenn gewünscht, mache man das eben künftig täglich

Unabgerufene Daten

In der Praxis liege das Problem aber ohnehin nicht bei den fehlenden AMS-Daten, sondern im Vollzug durch die Sozialhilfebehörden in den Ländern. "Mehr als die Hälfte der Behörden ruft die Daten des AMS gar nicht ab."

Folglich komme es trotz einer Sperre des Arbeitslosengeldes häufig zu keinen Sanktionen – also einer Kürzung – bei der Mindestsicherung. Mangels zentraler Datenbanken könne er zwar keine konkreten Zahlen nennen, wie oft das passiere, aber: "Unsere Leute berichten, dass bei den Sozialhilfebehörden nur sehr schleppend reagiert wird. Es ist offensichtlich, dass dort viel weniger sanktioniert wird als bei uns", so Buchinger.

Zu wenig Anweisungen

Und: "Offenbar gibt es für die Sachbearbeiter zu wenig Anweisungen, wie vorzugehen ist und in welcher Höhe Sanktionen zu rechtfertigen sind." Es brauche daher "dringend eine Handlungsanleitung und auch eine verbesserte Technik", so Buchinger. Derzeit habe fast jede Bezirkshauptmannschaft ein eigenes System. Die vom AMS bei einer Datendrehscheibe des Hauptverbands gespeicherten Informationen müssten von jedem Sachbearbeiter in den Ländern händisch abgefragt werden. "Das gehört automatisiert", fordert Buchinger.

Gelegenheit für Änderungen wird es bald geben. Bund und Länder verhandeln soeben über einen neuen Vertrag zur Mindestsicherung. Bis zum Sommer wird eine Einigung angestrebt. Einige Länder haben bereits – nicht zuletzt wegen der steigenden Asylzahlen – vorgeschlagen, die Mindestsicherung zu einer reinen Bundeskompetenz zu machen. Das würde auch Buchinger begrüßen. Diskutiert wurde das schon 2010. Gescheitert sei das Vorhaben letztlich an der Frage, wer die Ausgaben für diese Sozialleistung vorfinanziere, so Buchinger.

Nur für Arbeitsfähige

Klar sei jedenfalls, dass sich das AMS nur um die arbeitsfähigen Mindestsicherungsbezieher kümmern könne. Für arbeitsunfähige Menschen müsste sich auch im Falle einer reinen Bundeskompetenz eine andere Stelle – etwa das Bundessozialamt – kümmern.

Dem Vorschlag der schwarz-blauen Regierung in Oberösterreich, die Mindestsicherung für Flüchtlinge zu halbieren, steht Buchinger reserviert gegenüber. "Ich wüsste nicht, warum die Lebenshaltungskosten von Asylberechtigten niedriger als von Österreichern sein sollen." Diskutieren könne man aber, ob das Versorgungsniveau insgesamt bei mehreren Beziehern in einem Haushalt angemessen sei.

Anreizproblem

Wie auch sein AMS-Vorstandskollege Johannes Kopf sieht Buchinger bei Beziehern einer höheren Mindestsicherung ein Anreizproblem. Dieses könne man auf zwei Arten lösen. Entweder man führe, wie das die ÖVP vorschlägt, eine Deckelung bei 1500 Euro ein – "das verursacht aber Armutsfolgen".

Oder man schaffe bessere Zuverdienstmöglichkeiten neben der Mindestsicherung. Wie berichtet wurden diese in Niederösterreich bereits ausgeweitet. Der am Dienstag aus dem Amt geschiedene Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hat dieses bereits als vorbildhaft bezeichnet. Nun liegt es an seinem Nachfolger Alois Stöger, die Verhandlungen mit den Ländern abzuschließen.

Wiener Widerstand

Die Wiener Soziallandesrätin Sonja Wehsely hat jedenfalls schon angekündigt, strikt gegen eine Deckelung der Mindestsicherung bei 1500 Euro zu sein. Diese sei "nicht nur verfassungswidrig, sondern würde auch vor allem Familien mit mindestens zwei Kinder und einem zu geringen Erwerbseinkommen sowie Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen treffen", heißt es im Wehsely-Büro. (Günther Oswald, 28.1.2016)