In der Sport-&-Fun-Halle wurde bis Mitte September Inline Hockey, Fußball, Basketball, Tischtennis, Badminton und Beachvolleyball gespielt, es gab ein Fitnesscenter, eine Laufbahn und eine Anlage für Hammerwerfer. Jetzt wohnen dort Flüchtlinge. Wenn man das denn Wohnen nennen kann.

Foto: Heribert Corn

Wien – "Es wär' ein Traum", sagt Felix, wenn er mit Tomas, Födi oder Werner telefoniert. Sie können nur hoffen, dass der Mai alles neu machen wird. Im Mai verwandelt sich im Eissportzentrum in Wien-Kagran eine der drei Eisflächen in einen Inline-Hockey-Platz, um die Spielzeiten herrscht ein Griss. Das hat auch damit zu tun, dass die Sport-&-Fun-Halle am Handelskai, in der Felix und die anderen früher zugange waren, über Nacht für alle Hobbysportler zugesperrt wurde.

Es war eine Septembernacht, und der Flüchtlingsandrang war so groß geworden, dass das Wiener Sportamt die Halle und das angrenzende Dusika-Stadion als Flüchtlingsquartiere zur Verfügung stellen musste. Die "Notunterkunft", so hieß es, sollte eine "Übergangslösung" sein, und sie funktionierte einige Wochen lang tatsächlich so. Flüchtlinge wurden jeweils für ein, zwei Tage dort einquartiert, die Männer im Stadion, Frauen und Kinder in der Halle, und reisten weiter. Das ging knapp zwei Monate lang gut, dann brach das System zusammen. Wien brauchte Plätze für jene, die hier einen Asylantrag stellten. Die Übergangslösung wurde zur Dauerlösung, seit November wohnen mehr als 300 Flüchtlinge in den beiden Hallen.

Wenn man das denn Wohnen nennen kann. Die Menschen haben zu wenig Platz, viele schlafen auf dem Boden, die Sanitäranlagen sind überlastet. So oder so war im Dusika-Stadion der Trainingsbetrieb von Turnern und Leichtathleten bald wieder gesichert. Die Flüchtlinge belegen das Foyer, bekommen von Aktivitäten im Stadion selbst nichts mit. Sogar Events, wie zuletzt ein Meeting des Wiener LA-Verbands, finden statt. Zuseherandrang wäre ein Problem, es stellt sich nicht.

Tausend Hobbysportler

Nebenan ist die Betroffenheit quasi größer. Nicht wenige fielen um ihre zumindest wöchentliche Bewegungseinheit um, als die Sport-&-Fun-Halle zugesperrt wurde. Dort wurde Inline Hockey, Basketball, Fußball, Tischtennis, Badminton und Beachvolleyball gespielt, es gab ein Fitnesscenter, eine Laufbahn, eine Anlage für Hammerwerfer. Die Halle verzeichnete im Jahr 60.000 Besuche, das ergibt mehr als tausend Hobbysportler im Wochenschnitt. An den Vormittagen wurde die Halle von Volksschulen aus der Umgebung genutzt.

Mit der Moralkeule soll man Felix, Tomas und den anderen, die hier früher sportelten, nicht kommen. Sie sind sich über die Relationen und das Leid der Flüchtlinge im Klaren. Einige von ihnen wohnen in der Nähe und helfen bei der Flüchtlingsbetreuung mit. "Aber wieso man die Flüchtlinge nicht besser unterbringt, ist mir ein Rätsel", sagt Felix. "Da gibt es doch allein in Wien etliche Kasernen, die leerstehen."

"Hoch gefährlich"

Der Philosoph, Publizist und ausgebildete Fußballtrainer Wolfram Eilenberger stellte kürzlich in einem Essay im Spiegel fest, "die zwangsweise Umwandlung von Turnhallen in Flüchtlingsunterkünfte" sei "sozialklimatisch hochgefährlich, logistisch durchaus vermeidbar" und "aus integrationspolitischer Sicht kontraproduktiv". In Deutschland, das muss man allerdings sagen, ist die sogenannte "Turnhallenfrage" ein weit größeres Thema als in Österreich. In Wien gibt es das Dusika-Stadion und die Sport-&-Fun-Halle – doch in Berlin wurden 52 Sporthallen und zwei Sportplätze, auf denen Traglufthallen stehen, mit Flüchtlingen belegt.

Vereins- und Schulsport sind betroffen, Bezirkspolitiker, Sportfunktionäre und Eltern regen sich auf. Berlins Stadtregierung merkt an, dass von den insgesamt 1050 Turnhallen in Berlin nur knapp fünf Prozent okkupiert wurden, und will weitere Traglufthallen errichten, um die Turnhallen wieder freizukriegen.

Für Eilenberger ist die Kontroverse "nur Vorbote einer Überforderungskonstellation zahlreicher relevanter Teilsysteme", er listet "Wohnungsbau, Gesundheitswesen, Bildung" auf. Der Philosoph fordert – "anstatt die Turnhallen zwangsweise ihrem Zweck zu entfremden" – die Einrichtung eines Programms namens "Willkommenssport". Das wäre "als Integrationsstart günstiger und nachhaltiger als jede andere Maßnahme", darüber hinaus "unmittelbar therapeutisch und deeskalierend – insbesondere als Prävention gegen einen Lagerkoller".

Im Wiener Sportamt, das ansonsten nur auf Entlastung durch andere, größere Quartiere hoffen kann, würde man das sofort unterschreiben. Es wäre "eine echte Win-win-Situation", könnten die Flüchtlinge aus dem Dusika-Stadion in der Sport-&-Fun-Halle kicken oder Basketball spielen oder was auch immer. Nicht einmal Fahrscheine würden die Flüchtlinge brauchen. Ein Traum. (Fritz Neumann, 28.1.2016)