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Ein Wiener Verein, der Suchtkranke – wie etwa Menschen mit Alkoholproblem – in den Arbeitsmarkt vermittelt, soll künftig nur Personen zugeteilt bekommen, die schon als jobfit gelten.

dpa-Zentralbild / Patrick Pleul

Wien – Diese Woche stellte das Gesundheitsministerium die erste österreichweite Strategie für den Umgang mit Suchtkranken und für Suchtprävention vor. Eines der Ziele ist, Menschen mit Suchtproblemen in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren. Für Mitarbeiter der Wiener Berufsbörse muss es paradox sein, davon zu hören. Denn der Verein will Suchtkranken den Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen und sie dabei sozialarbeiterisch beraten und betreuen. Das Arbeitsmarktservice (AMS) Wien strich der seit 1992 existierenden Einrichtung für 2016 aber empfindlich die Mittel.

"Die Nachricht kam Mitte Oktober 2015 ganz unerwartet", schildert Angelika Schaller, Betriebsrätin der Wiener Berufsbörse, dem STANDARD. Für dieses Jahr erhielt man Unterstützung vom Europäischen Sozialfonds (ESF). Insgesamt habe man aber um 40 Prozent weniger Geld. Mitarbeiter hätten Stunden gekürzt, vier andere Jobs angenommen, eine Mitarbeiterin habe sich selbstständig gemacht. Statt bei neun Vollzeitäquivalenten liege man nun bei fünf.

700 statt bisher 2000 Klienten

Die Berufsbörse hat laut Schaller in sogenannten Verbindungsdiensten Kontakte zu den Suchthilfeeinrichtungen und zu Regionalstellen des AMS Wien gehalten und Menschen in den ersten und zweiten Arbeitsmarkt und Therapieeinrichtungen vermittelt. Insgesamt habe man so bis zu 2000 Personen betreut. Künftig könne und dürfe man nur rund 700 Personen begleiten, sagt Schaller. Verbindungsdienste, wie sie der Verein entwickelt habe, seien nun vom AMS übernommen worden.

20 Prozent Erfolgsquote gefordert

"Wir bekommen nur mehr eine bestimmte Klientel, die ,job-ready' ist und uns vom regionalen Kompetenzzentrum der Suchthilfe geschickt wird", sagt Schaller. Künftig werde man 20 Prozent erfolgreich in den Arbeitsmarkt vermittelte Klienten vorweisen müssen. Die Sozialarbeiterin erzählt, sie habe nun schon viele Klienten bei sich gehabt, die völlig aufgelöst seien ob der bevorstehenden Trennung von seit Jahren gewohnten Ansprechpartnern.

Der Wiener Drogenkoordinator Michael Dressel betont, dass die Wiener Berufsbörse eine Jobvermittlung und keine Therapieeinrichtung im engeren Sinne sei. Dass es dort zu Szenen wie von Schaller geschildert kommt, findet er "problematisch". "Die sollten nach jahrelanger Betreuung dort nicht mehr betreuungsbedürftig sein", meint Dressel.

Bereich neu aufgestellt

Insgesamt werde das Leistungsangebot für Suchtkranke in Wien jedenfalls größer. Beispielsweise hat die Suchthilfe vor kurzem eine Anlaufstelle für Menschen mit Alkoholsucht eingerichtet. Der Berufsbörse selbst habe man angeboten, Mitarbeiter zu übernehmen.

Martin Kainz, zuständiger Abteilungsleiter des Wiener Arbeitsmarktservice, sagt, die Kürzung der Mittel für den Verein sei in enger Abstimmung mit der Suchthilfe erfolgt, die den Bereich neu aufgestellt habe. Insgesamt sei das Auftragsvolumen des AMS Wien für die Beschäftigung Suchtkranker größer geworden.

Mehrere Suchtprobleme

Schaller beurteilt es als problematisch, wenn Menschen nach jeweiliger Sucht zugeteilt werden, wie derzeit in Wien beobachtbar sei. Oft gebe es mehrere Suchtproblematiken, vieles bleibe anfangs aber verborgen. Die Vereinsmitarbeiter müssen nun langjährige Klienten wegschicken. Schaller erzählt von einer Frau, für die sie noch keine andere Einrichtung zur umfangreichen sozialarbeiterischen Betreuung gefunden habe. "Ich bringe es nicht übers Herz, sie im Stich zu lassen." (Gudrun Springer, 28.1.2016)