Brennende Lagertanks in Ras Lanuf in Libyen am vergangenen Samstag: Der "Islamische Staat" greift immer öfter Ölanlagen an.

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Tripolis/Washington/Wien – Pentagon-Sprecher Peter Cook fasste am Mittwoch in Worte, was sich schon länger abzeichnet: Die USA prüfen wegen des Vormarsches des "Islamischen Staats" (IS) in Libyen "militärische Optionen und eine Reihe anderer Maßnahmen".

Beobachter gehen davon aus, dass Militäroperationen in Kooperation mit Großbritannien, Frankreich und Italien stattfinden würden. Am Donnerstag bestätigte Nato-Chef Jens Stoltenberg, dass Washington die Nato beim Kampf gegen den IS um Unterstützung mit Awacs-Flugzeugen ersucht habe. Er nannte Libyen nicht – aber die Intervention 2011, die Gaddafi stürzte, war ebenfalls eine Kooperation von Nato-Partnern (plus einigen Arabern).

Das auf Militärnachrichten spezialisierte israelische Onlinemedium "Debkafile" berichtete jedoch auch von einer angeblichen russischen Beteiligung. Erste Spezialkommandos – britische als Erste und danach amerikanische, russische, französische und italienische – seien bereits vergangene Woche bei Tobruk gelandet. Die "Debkafile"-Story hört sich allerdings reichlich abenteuerlich an: Ihr zufolge sei auch eine große gemeinsame Bodenoperation vorgesehen, bei der Tripolis von islamistischen Milizen gereinigt werden sollte.

Russische Interessen

Es stimmt jedoch, dass Präsident Wladimir Putin vergangenen November Libyen als mögliches Land nannte, in dem Russland zum Schutz seiner Interessen intervenieren könnte – dass diese mit den amerikanischen zusammenfallen könnten, würde wohl niemand erwarten. Putin hatte im März 2011 das für humanitäre Zwecke ausgestellte Uno-Mandat für die Nato-Intervention zwar nicht verhindert, war jedoch mit dessen offensichtlicher Überschreitung unzufrieden gewesen. Mit dem Sturz Gaddafis verlor Moskau in Libyen zudem Einfluss und Geschäfte.

Zuletzt gehörte Russland mit Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu den wichtigsten Unterstützern der in Tobruk exilierten libyschen Regierung, die allerdings laut Uno-Plan bald durch eine Einheitsregierung ersetzt werden sollte, die durch eine Verschmelzung mit der Gegenregierung in Tripolis zustande käme. Der Uno-Prozess stößt aber immer wieder auf neue Hürden, die die Regierungsbildung verzögern – und zu einem Eingreifen der USA und anderer auch ohne politischen Partner in Libyen führen könnten.

Gesichert ist, dass im Dezember ein US-Militärkommando auf der Militärbasis Al-Watiya in Westlibyen landete – und kurz danach wieder ausflog, um eine Konfrontation zu vermeiden. Die "New York Times" widmete zu Wochenbeginn einem möglichen militärischen US-Engagement in Libyen einen Leitartikel und verlangte eine Befassung des Kongresses mit dem Thema. Der US-Präsident operiert noch immer auf der nach 9/11 erlassenen Gesetzesbasis.

Rund 3.500 IS-Kämpfer in Libyen

Der IS kontrolliert westlich und östlich der ehemaligen Gaddafi-Hochburg Sirte bereits 150 Kilometer Küste. Noch umfasst der libysche Arm des "Islamischen Staats" laut Expertenschätzungen nicht mehr als etwa 3.500 Kämpfer. Doch es ist eine Bewegung libyscher Jihadisten, aber auch solcher anderer Nationalitäten aus Syrien und dem Irak nach Libyen zu beobachten. Der IS hat zudem eine eigene Führungsriege nach Libyen geschickt, er betrachtet seine dortige Niederlassung als prioritär. Und wie im Irak gelingt es dem IS auch in Libyen, alte Regimeelemente – die Verlierer des Sturzes von Muammar Gaddafi im Oktober 2011 – für seine Zwecke zu kooptieren.

Nicht nur die Lage in Libyen selbst ist beunruhigend, wo der IS in der letzten Zeit vermehrt Ölanlagen angreift. Auch die Nachbarländer, etwa Algerien, zeigen sich hochalarmiert. Aktivitäten von "Al-Kaida im Maghreb" könnten zur Verschärfung der Lage beitragen, die Anschläge in Bamako und Ouagadougou waren Weckrufe.

US-Generalstabschef Joseph Dunford sprach von der Notwendigkeit, eine "Firewall" zwischen Libyen und den Rest Nordafrikas und der Subsahara zu setzen. Das ist allerdings nicht so einfach: Zwar setzt der IS weniger als die traditionelle Al-Kaida auf lokale "Subunternehmer", die sich dem Terrornetzwerk anschließen und so für dessen Ausbreitung sorgen. Aber der IS ist ein Meister der Infiltration, die man erst merkt, wenn es zu spät ist. (Gudrun Harrer, 28.1.2016)