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Nach lebensgefährlicher Fahrt in einem Schlauchboot erreichen syrische Flüchtlinge die griechische Insel Lesbos, Bild von 10. Jänner.

Foto: REUTERS / Giorgos Moutafis

Drei Wochen vor dem nächsten regulären EU-Gipfel Mitte Februar in Brüssel bekommen die Bemühungen einer starken Gruppe von EU-Staaten rund um Deutschland und die EU-Kommission zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms nach Zentraleuropa einen deutlichen Schub. Ziel ist es einerseits, den illegalen Zuzug nach Griechenland und damit in die Schengenunion der offenen Grenzen durch rigide Maßnahmen stark einzuschränken. Auf der anderen Seite soll dafür Zug um Zug der legalen Einreise von Flüchtlingen aus der Türkei der Boden aufbereitet werden. Als Referenz gilt dabei in Verhandlerkreisen nach Informationen des STANDARD eine direkte Umsiedlung von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr.

Ein Vertreter der niederländischen Regierung, die derzeit den EU-Vorsitz führt, bestätigte der Zeitung "De Volkskrant" am Donnerstag, dass es "einen europäischen Plan" gebe. Demnach sollten Flüchtlinge zuerst von den griechischen Inseln direkt mit Fähren in die Türkei zurückgebracht werden.

Beratungen mit Österreich

Unter der Voraussetzung, dass die Europäer zwischen 150.000 und 250.000 Menschen aus der Türkei legal umsiedeln, sei die türkische Regierung bereit, die zurückgeschobenen illegalen Migranten anzunehmen, sagte der Fraktionschef der regierenden Sozialdemokraten, Diederik Samson. Ministerpräsident Mark Rutte habe dazu bereits "intensiv mit Deutschland, Schweden und Österreich beraten", wo 2015 die meisten der 1,5 Millionen Flüchtlinge auf ihrem Weg durch den Balkan ankamen.

Man hoffe, dass Frankreich, Portugal, Spanien und Großbritannien sich dieser Initiative anschließen: Samsons Aussagen entsprechen den internen Berichten in der EU-Kommission, die seit Wochen mit Vertretern der EU-Regierungen über die Umsetzung der bei mehreren EU-Gipfeln beschlossenen Maßnahmen berät. Sie führt in einer eigenen Formation aber auch die Verhandlungen mit Ankara.

Es gebe dazu einen Fünf-Jahres-Plan, bestätigte einer der Verhandler dem STANDARD entsprechende Gespräche mit Premierminister Ahmet Davutoglu. Sollte die Türkei die Grenze zu Griechenland rigoros überwachen und die illegalen Überfahrten beenden, dann könnten jedes Jahr 200.000 syrische Flüchtlinge direkt von EU-Staaten übernommen werden, "über einen Zeitraum von fünf Jahren". Eine Million Flüchtlinge ließen sich auf legale Weise leicht EU-weit aufteilen, selbst wenn sich nicht alle Staaten an dem von der Kommission kreierten "fairen Aufteilungsschlüssel" beteiligen würden. Vor allem die osteuropäischen Mitglieder, aber auch Großbritannien verhindern bisher eine aktive Teilnahme.

15 Milliarden Euro

Ein Kernproblem ist dabei die Finanzierung. Beim letzten EU-Gipfel im Dezember bekräftigten die Staats- und Regierungschefs, dass die Türkei für die Versorgung der Flüchtlinge – von Quartier bis Schulbildung – 2016 drei Milliarden Euro bekommen soll. Die Türkei verlangt aber nicht nur drei Milliarden einmalig, sie möchte in der auf zunächst fünf Jahre angelegten "Flüchtlingskooperation" jedes Jahr drei Milliarden sehen, insgesamt also 15 Milliarden. Das Land beherbergt derzeit allein aus Syrien 2,3 Millionen Flüchtlinge, Tendenz steigend, und hat dafür bisher nach eigenen Angaben acht Milliarden Euro ausgegeben.

Eine mit den Türkeiverhandlungen vertraute Person sagte dem STANDARD, man müsse in Bezug auf alle diese Zahlen vorsichtig bleiben. Zur Lösung der Krise müsse man behutsam und Schritt für Schritt vorgehen.

Nächste Woche gibt es eine Geberkonferenz in London, bei der Regierungschefs sich über eine bessere Finanzierung der Lager in den Krisenregionen im Nahen und Mittleren Osten bemühen.

Druck auf Griechenland wächst

Vor allem die im Dezember auf Drängen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel gebildete "Koalition der willigen Staaten" mit Deutschland, Österreich, Schweden und den Niederlanden spielt eine wichtige Rolle. Daneben gibt es eine enge Kooperation dieser Länder mit den betroffenen Balkanstaaten. Und schließlich wächst innerhalb der EU-28 der Druck auf Griechenland, endlich mehr zur Legalisierung des Flüchtlingsstroms zu tun.

Der Regierung in Athen wird vorgeworfen, dass sie die fünf vereinbarten Aufnahmelager (Hotspots) torpediert, damit die Flüchtlinge rasch nach Norden weiterziehen – was Athen heftig bestreitet. Die EU-Kommission hat aber bestätigt, dass die Registrierung bisher nicht funktioniert.

Hintergrund: Mitte Mai läuft die Genehmigung zur vorläufigen Grenzkontrollen aus, wie sie sechs Staaten derzeit durchführen, darunter auch Österreich und Slowenien. Sollte Griechenland bis dahin nicht reagieren, könnte es eine Sonderregelung auf Grenzkontrollen für Reisende aus Griechenland für weitere zwei Jahre geben. (Thomas Mayer aus Brüssel, 28.1.2016)