Dagur Sigurdsson will sich auch nach dem Halbfinale freuen.

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Breslau – Dagur Sigurdsson wusste nicht, wohin mit seinem Glück. Seine Spieler standen längst unter der Dusche, da streifte Deutschlands Bundestrainer, die Hände in den Hosentaschen, noch einmal allein durch die Katakomben der Jahrhunderthalle von Breslau und tat etwas, das man von ihm zu so später Stunde noch nicht gesehen hatte. Sigurdsson strahlte übers ganze Gesicht. "Das war ein richtig schöner Abend. Ich bin unheimlich stolz und superzufrieden", sagte der 42-Jährige fast ein wenig beschwingt. Die deutschen Handballer hatten durch ein 25:23 gegen Dänemark das Halbfinale der EM in Polen erreicht. Sie treffen am Freitag auf Norwegen. Um den zweiten Finalplatz spielen Spanien und Kroatien.

Mit einer taktischen Meisterleistung hatte Sigurdsson den Löwenanteil am ersten Halbfinaleinzug einer deutschen Mannschaft bei einem Großereignis seit 2008. Und so greift die Auswahl neun Jahre nach dem WM-Gold beim sogenannten Wintermärchen 2007 wieder nach einem Titel. "Wir vertrauen ihm blind", sagte Kreisläufer Erik Schmidt. Sigurdsson formte aus dem jüngsten Team aller EM-Teilnehmer in Rekordzeit einen ernsthaften Medaillenkandidaten. Selbst die verletzungsbedingten Ausfälle von sechs Stammkräften konnten ihn nicht aus dem Konzept bringen. Ohne zu lamentieren, machte er aus der (Personal-)Not eine Tugend und impfte seinem mit inzwischen 16 EM-Debütanten gespickten Kader in Rekordzeit das Sieger-Gen ein.

Die Spieler hängen förmlich an seinen Lippen. "Dagur gibt uns einen Matchplan an die Hand, und den ziehen wir hundertprozentig durch", sagte Abwehrchef Finn Lemke. Sigurdsson war von 2003 bis 2007 Spielertrainer in Bregenz, von 2008 bis 2010 betreute er Österreichs Nationalteam, führte es bei der Heim-EM 2010 zu Platz neun. Danach wechselte er zu den Füchsen Berlin und im Sommer 2014 zum DHB-Team. "Wir sind auf dem Weg von einem großen Kahn hin zu einem schneller werdenden Schnellboot", sagte Bob Hanning, Vizepräsident des Verbandes. "Wo der Hafen ist, wird sich weisen." (sid, red, 28.1.2016)