Die Friedensgespräche der Vereinten Nationen für Syrien in Genf standen am Sonntag auf der Kippe. Das wichtigste syrische Oppositionsbündnis war bis zum Nachmittag nicht bereit, mit der Delegation von Machthaber Bashar al-Assad Kontakt aufzunehmen.
Vertreter des Oppositionsbündnisses HNC (Hohes Verhandlungskomitee) machten klar, dass zunächst eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein müssten; erst dann wollten sie indirekt mit der Assad-Delegation Tuchfühlung aufnehmen. Ohne eine Kommunikation zwischen den verfeindeten Parteien – sie soll über Uno-Vermittler geschehen – drohen die Genfer Gespräche aber zu scheitern. Bisher gibt es nur Einigkeit in zwei Punkten: die Ablehnung der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und die grundsätzliche Befürwortung von Verhandlungen zur Beendigung des Bürgerkriegs. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon appellierte, das Leiden der Menschen zu beenden.
Streben nach dem Erfolg
HNC-Sprecher Salem al-Meslet verlangte von dem Assad-Regime einen Stopp der Bombardements ziviler Ziele, ungehinderte humanitäre Hilfe für eingeschlossene Menschen in den belagerten Städten und die Freilassung von Gefangenen, besonders von Frauen und Kindern. "Wir sind hier, um wirklich eine Lösung für alle Syrer zu finden", sagte al-Meslet. Das HNC sei sehr bestrebt, in Genf einen Erfolg zu erzielen.
Riyad Hijab, der Chef des HNC, erklärte laut arabischen Medien, man werde die Delegation abziehen, falls die eigenen Forderungen nicht erfüllt werden. Wenn das Assad-Regime weiter Verbrechen verübe, sei eine "Präsenz der HNC-Delegation in Genf nicht gerechtfertigt".
"Kurz und informell"
Das HNC-Team teilte am Sonntag seinen Standpunkt dem Uno-Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, mit. Das "kurze, informelle Treffen", so die Uno, fand im Hotel der Delegation statt – und nicht am eigentlichen Verhandlungsort, dem Völkerbundpalast. Dort, am europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen, hatte de Mistura schon am Freitag die Emissäre des Assad-Regimes zu ersten Gesprächen empfangen.
Diplomaten befürchten, dass die Syrien-Gespräche 2016 genauso wie die Syrien-Gespräche 2014 ergebnislos enden könnten. "Das Assad-Regime hat kaum Interesse, auf die Forderungen der Opposition einzugehen. Letztlich will die Opposition ja das Ende des Regimes herbeiführen", so ein Unterhändler.
Die auf sechs Monate angelegten Gespräche sollen in eine politische Lösung für den Konflikt münden, in dem bisher deutlich mehr als 250.000 Menschen getötet wurden.
Die Außenminister Russlands und der USA beobachten die Genfer Gespräche genau. Der Russe Sergej Lawrow und der Amerikaner John Kerry wollen bei der Münchner Sicherheitskonferenz in zwei Wochen eine Zwischenbilanz ziehen, sofern die Gespräche nicht eher platzen. (Jan Dirk Herbermann aus Genf, 31.1.2016)