Ob es hierzulande zuviele Normen gibt oder eher zuwenige, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Foto: STANDARD/Hendrich

Wien – Mit dem Ende des Vorjahres beschlossenen Normengesetz 2016 fühlt sich das österreichische Normungsinstitut Austrian Standards nicht zur Gänze wohl. Zwar seien noch einige offene Fragen in Gesprächen mit dem Wirtschaftsministerium geklärt worden, allerdings bleiben für Elisabeth Stampfl-Blaha, Direktorin des Instituts, weiterhin offene Punkte, etwa ob unter der neuen Gesetzgebung eine Teilnahme Österreichs an der länderübergreifenden Normierung weiterhin möglich ist. Sowohl das Europäische Komitee für Normung (CEN) als auch die Internationale Organisation für Standardisierung (ISO) hatten bereits im Vorfeld Bedenken geäußert.

Als problematisch an der neuen Gesetzeslage gilt die Entsendung von insgesamt zwei Vertretern von Bund und Ländern in das oberste Leitungsgremium, da die Normierung grundsätzlich privatwirtschaftlich organisiert ist. Das Wirtschaftsministerium vertritt die Ansicht, dass alle Anforderungen erfüllt seien. "Die Richtlinien der internationalen Normungsorganisationen wurden bei der Erstellung des neuen Normengesetzes sorgfältig berücksichtigt", sagt Sprecherin Alexandra Perl.

Gesetz wäre "nicht lebbar"

Nun liegt der Ball bei CEN und ISO, über die Vereinbarkeit der neuen Gesetzeslage mit ihren Statuten zu befinden. "Wenn das nicht kompatibel ist, dann wäre das Gesetz so nicht lebbar", urteilt Stampfl-Blaha. In letzter Konsequenz hätte Österreich keinen Vertreter bei diesen Organisationen und würde Möglichkeiten der Mitsprache bei den Normungsprozessen für jährlich rund 2000 neue internationale Standards einbüßen – was mit Nachteilen für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft verbunden wäre. "Normung ist ein Bereich, in dem Österreich gut aufgestellt ist. Das sollten wir nicht aufgeben", fügt die Austrian-Standards-Präsidentin hinzu.

Zudem droht das neue Gesetz dem Normungsinstitut den finanziellen Boden unter den Füßen wegzuziehen. Der Wegfall von Entgelten würde der Wirtschaft zwar rund 1,6 Millionen Euro ersparen, allerdings entfallen für Austrian Standards laut Stampfl-Blaha dadurch Einnahmen von rund 17 Prozent des Vorjahresbudgets: "Das ist schon erheblich und entspricht rund einem Viertel unseres Personalaufwands." Gegensteuern will sie mit einem Mix aus Maßnahmen: dem Wahrnehmen von Einsparungs- und Synergiepotenzialen sowie der Schaffung von Mehreinnahmen durch Entgelte für Leistungen.

Jedenfalls muss Austrian Standards bis Ende März eine Erklärung abgeben, dass das Institut die Bedingungen des neuen Gesetzes erfüllen werde. Sollten bis dahin wie von Stampfl-Blaha erwartet die Entscheidungen seitens CEN und ISO noch ausstehen, könne die Zustimmung auch unter Vorbehalt erfolgen. Bleibt diese gänzlich aus, müsste die Normierung auf andere Beine gestellt werden. "Sollte das Austrian-Standards-Institut die Erfordernisse aufgrund der neuen Rechtslage nicht erfüllen wollen oder können, würde die Erteilung der Normungsbefugnis ausgeschrieben", sagt Sprecherin Perl. Andere Non-Profit-Organisationen könnten sich um die Befugnis zur Schaffung nationaler Normen bewerben. (aha, 1.2.2016)