Es ist ein sehr holpriger Start, den die Syrien-Gespräche in Genf hingelegt haben: Immerhin traf am Wochenende die Opposition doch noch ein, auch wenn sie gleich wieder mit Abreise drohte. Die syrische Tragödie zeigt wieder einmal eine ihrer absurden Facetten. Alle Beteiligten wissen, diese Verhandlungen wird es in der einen oder anderen Form geben. Die USA und Russland haben es beschlossen und werden ihre Initiative, die sie der Uno anvertraut haben, nicht abbrechen, weil eine schwache Opposition versucht, ihre Haut möglichst teuer zu Markte zu tragen. Wenn sie nicht heute mitmacht, wird sie es morgen tun.

Die meisten internationalen Sympathien gelten dieser Opposition, die vor den Trümmern der vergangenen Jahre steht: Sie hat nichts erreicht, und ob die politischen Exilanten, die die Konferenzräume bevölkern, überhaupt eine signifikante Unterstützung in Syrien selbst genießen, ist fraglich. Bei aller Sympathie für die Opposition ist die international vorherrschende politische Meinung jedoch, dass sie nun verhandeln muss. Und wenn es mit dem Teufel ist: Fünf Jahre nach Beginn des damals so genannten Arabischen Frühlings ist Bashar al-Assad nicht nur noch immer da, sondern seine Verhandlungsposition ist relativ gut. Dass das so ist, hat Gründe, die allesamt nicht gerecht sein mögen, aber es ist nicht zu ändern.

Die Opposition hat nur eine Möglichkeit, ihre Schwäche zu kaschieren, nämlich indem sie auf die Verbrechen des Regimes aufmerksam macht. Was sie fordert, steht in Genf ohnehin auf dem Programm: humanitäre Hilfe und ein Waffenstillstand. Aber für alle Beteiligten ist klar, dass das nur innerhalb eines breit angelegten Prozesses zu erreichen ist. In Genf selbst wird unmittelbar kein Waffenstillstand ausgehandelt werden: schon allein deshalb, weil in Genf gar niemand ist, weder auf Regime- noch auf Oppositionsseite, der das könnte. Diese Musik spielt woanders, zum Beispiel in Moskau.

Genf dient erst einmal als Ort, wo in die Köpfe des Regimes und der Opposition eingepflanzt werden soll, dass es einen prinzipiellen geopolitischen Konsens gibt: Es muss eine politische Lösung in Syrien geben. Erschütternderweise ist dieser Konsens nicht einmal deshalb zustande gekommen, weil das Schlachten der Zivilbevölkerung unerträglich geworden ist, sondern damit man den Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) effektiv führen kann. Diese Position teilen nicht nur Washington und Moskau, sondern sogar Teheran und Riad und sogar bis zu einem gewissen Grad Ankara.

Darüber hinaus geht der Konsens aber nicht, alles andere ist offen, wie die einstweilen eingemottete Frage nach der persönlichen Zukunft Bashar al-Assads, die momentan nicht einmal mehr die Opposition stellt. Und der Zeitpunkt für Verhandlungen ist denkbar schlecht: Das Regime ist, mit russischer und iranischer Hilfe, militärisch zu stark, die Opposition, die nicht nur gegen das Regime kämpft, sondern auch gegen ihre jihadistischen Konkurrenten, zu schwach.

Der "richtige" Zeitpunkt für Verhandlungen wäre, wenn alle Kriegsparteien gleichermaßen erschöpft wären. Aber darauf kann man nicht warten: Die Gefahr wäre viel zu groß, dass in diesem Fall der Profiteur IS heißt. Und auch wenn diese Gefahr einmal gebannt sein wird, ist es noch längst nicht vorbei. Das zeigt die an Fahrt aufnehmende Ausbreitung des "Islamischen Staats" in Libyen. (Gudrun Harrer, 31.1.2016)