Wien – Die Transparente mit Protestbotschaften gegen die Drogenberatungsstelle Change in der Nußdorfer Straße in Wien-Alsergrund hängen nicht mehr wie noch vor wenigen Monaten aus den Fenstern der umliegenden Häuser. Protestiert wird aber weiterhin: 14 Miteigentümer des Hauses, in dem sich die Suchthilfestelle befindet, haben eine Klage wegen "widmungswidriger Verwendung" gegen die zwei Vermieter eingebracht.
Die Kläger verlangen, dass die Widmung des Mietobjekts eingehalten wird – und diese lautet auf "Betriebsstätte und Gassenverkaufsladen", so Wilhelm Garzon, der Rechtsanwalt, der die Kläger vertritt, zum STANDARD. Früher befand sich in dem Erdgeschoßlokal eine Konditorei, später – bevor Change im November 2014 eröffnet wurde – ein Blumengeschäft.
Nicht an Suchthilfe vermieten
Sollte das Gericht zugunsten der 14 Kläger entscheiden, würde den beiden Vermietern untersagt, die jetzige Nutzungsform zuzulassen – sie dürften das Objekt nicht mehr an die Suchthilfe vermieten.
Diese hat sich in dem Verfahren den Vermietern angeschlossen. Man gehe aber – solange kein rechtskräftiges Urteil vorliege – davon aus, dass alles beim Alten bleiben werde, sagte Mathias Tötzl von der Wiener Sucht- und Drogenkoordination zum STANDARD. Er betonte, dass es nur um eine Widmungsfrage gehe und nicht die Arbeit der Suchthilfe auf dem Prüfstand stehe. Der nächste Verhandlungstermin soll im März stattfinden.
Startschwierigkeiten
Die Beratungsstelle, die für bis zu 100 Klienten täglich konzipiert ist, hatte anfänglich Schwierigkeiten – nur wenige Suchtkranke nahmen die Dienste in Anspruch. Im November 2015 war die Zahl auf durchschnittlich 30 Klienten pro Tag angestiegen.
Bei den Bürgerinitiativen, die schon gegen die Eröffnung von Change angekämpft hatten, wird die geringe Auslastung als Bestätigung dafür gesehen, dass der Standort schlecht gewählt sei.
Dem widerspricht Tötzl. Die Auslastung steige kontinuierlich an und liege mittlerweile bei rund 50 Klienten täglich.
Grund für die Startschwierigkeiten sei vor allem die Atmosphäre im Viertel gewesen. Es sei vorgekommen, dass Anrainer mit Fotoapparaten in den Fenstern standen und Klienten fotografiert hätten. Die Fotos seien in sozialen Netzwerken veröffentlicht worden. Für Suchtkranke sei das "extrem abschreckend", so Tötzl.
Keine Beschwerden
Die Situation habe sich inzwischen gebessert. "Solche Aktionen von Einzelnen" gebe es nicht mehr. Und auch Beschwerden gingen keine mehr ein.
Darüber zeigt sich auch die Bezirksvorsteherin des neunten Bezirks, Martina Malyar (SPÖ), erfreut. Ein von ihr initiiertes Dialogforum wurde pausiert, weil es keinen Anlass mehr dafür gebe; nur in kleinem Rahmen soll die Lage im Mai noch einmal evaluiert werden. Das Gebiet bleibe "gut betreut" – mithilfe von Polizei und Streetworkern. (Christa Minkin, 1.2.2016)