Kein Aufwand wurde gescheut, keine Kulisse war zu pompös, um dem kubanischen Gast klarzumachen, was sein Besuch für Frankreich bedeutet. Der erste Empfang für Raúl Castro fand am Montag beim Pariser Triumphbogen statt, wo ihn Umweltministerin Ségolène Royal willkommen hieß. Die Prachtavenue der Champs-Élysées war noch prächtiger, nämlich mit zahllosen rot-weiß-blauen Flaggen Kubas und Frankreichs ausgeschmückt.
Die Franzosen signalisierten den Kubanern nicht nur eine Farben-, sondern auch eine Seelenverwandtschaft: Schließlich blicken beide Länder auf eine revolutionäre Vergangenheit zurück, wie Außenhandelsminister Matthias Fekl schon vor einem Jahr in Havanna erklärt hatte. Damals traf der französische Präsident François Hollande nicht nur Raúl, sondern auch den greisen Bruder Fidel Castro, der in Frankreich weithin immer noch revolutionären Heldenstatus genießt.
Paris will Kubas wichtigster Partner sein
Am Montag in Paris sprach nun Fekl kraft seines Amtes vor allem übers Geschäft. Er brachte zahlreiche französische Unternehmenschefs und Industrielle mit kubanischen Behördenvertretern zusammen. Beteiligt waren Konzerne wie Accor (Tourismus), Bouygues (Hoch- und Tiefbau), Orange (Telekommunikation), Total (Energie), SNCF (Eisenbahn) und natürlich der Getränkekonzern Pernod Ricard. Er produziert zusammen mit dem kubanischen Staat die weltweit drittgrößte Rummarke Havana Club – und die größte noch wirklich in Kuba hergestellte Zuckerrohrspirituose.
Ebenso groß sind Frankreichs Pläne mit Kuba: "Wir wollen Havannas erster politischer und Wirtschaftspartner werden", sagte ein französischer Diplomat am Rand des Staatsbesuchs. Das mag etwas hochgegriffen klingen, ist doch Frankreich derzeit nur der zehntgrößte Handelspartner Kubas. Paris setzt aber auf die geografische Nähe seiner Karibikgebiete Guadeloupe und Martinique.
Und politisch setzt Paris eben auf die Seelenverwandtschaft: Im Kampf gegen das US-Embargo hatte Frankreich Kuba bei allen Uno-Resolutionen unterstützt, meint ein Berater des Élysée-Palastes. Der Zeitung "Le Figaro" zufolge will Paris in Zentralamerika strategisch "seine Positionen verstärken und vermeiden, dass Kuba nach dem Fall des Embargos wie in den 1950er-Jahren unter General Batista wieder in die Hände der USA fällt".
Menschenrechte kein Thema
Wohl aus diesem Grund geht Frankreich auch auf die Menschenrechtsfrage wenig ein. Regimegegner erklärten zwar in Paris, die Repressionen des Regimes seien in den vergangenen Monaten nur noch stärker geworden und die Emigration Richtung USA – zum Teil über den Umweg Ecuador – nehme wieder zu; auch werde jede private Initiative, die über die Öffnung kleiner Läden hinausgehe, vom Regime weiterhin unterbunden.
Hollande hatte deshalb nicht vor, bei seiner Unterredung mit Raúl Castro und dem folgenden Staatsbankett am Montagabend die Menschenrechtslage anzuschneiden. Man werde "wachsam" bleiben, meinte besagter Berater lapidar. Das ist in etwa die unterste Schwelle diplomatischer Einflussnahme – oder auch nur der Versuch dazu. Diverse Pariser Medien üben deshalb eifrig Kritik an Hollandes neuer "Wirtschaftsdiplomatie". (Stefan Brändle aus Paris, 1.2.2016)