Schmid (li.) und Reichstädter, unterschiedliche Charaktere.

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In Peking 2008 kamen Schmid/Reichstädter auf Rang 24, in London 2012 waren sie Olympia-Neunte. So gesehen ist noch Luft nach oben.

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Wien – Miami, Buenos Aires, Palma de Mallorca, Hyères, Kiel, Rio de Janeiro. In etwa so sieht der Reiseplan der 470er-Segler Matthias Schmid und Florian Reichstädter für die nächsten sieben Monate aus. Hat zumindest einen Touch von Jetset, möchte man meinen. Schmid und Reichstädter meinen das nicht. "Es ist ja nicht so, dass wir in den Yachtclubs sitzen und Champagner trinken."

Schmid ist Steuermann, Reichstädter ist Vorschoter, beide sind 35 Jahre alt und aus Wien, seit fast 15 Jahren sind sie gemeinsam auf der Welle. Zu Beginn ihrer Karriere setzten sie sich ins Wohnmobil und fuhren für zwei Monate zum Segeln nach Spanien, sie schliefen im Auto, das sie auf dem Parkplatz von Segelklubs abgestellt hatten. "Vorher haben wir diverse Omas und Tanten angeschnorrt, damit wir irgendwie über die Runden kommen", sagt Schmid. Und er sagt auch: "Das war eine tolle Zeit, das Segeln damals war der reine Spaß."

Keine Absicherung

Der reine Spaß war ein jahrelanger Spaß, aber auch kein kleines Risiko. "Wir sind ohne Krankenversicherung um die Welt gefahren." Erst 2007 kamen Schmid und Reichstädter als Zeitsoldaten beim Bundesheer unter, da war ihre Qualifikation für die Olympischen Spiele 2008 schon absehbar. In Peking kamen sie auf den 24. Rang, vier Jahre später in London waren sie Olympia-Neunte. Heuer, bei den Spielen im August in Rio de Janeiro, ist so gesehen noch Luft nach oben. Schmid und Reichstädter, die 2014 EM-Silber gewannen, gehören zum Kreis der Medaillenanwärter.

Ihre Lage ist insofern komfortabel, als sich in Rio viel um zwei andere OeSV-Boote drehen wird, um die zweimaligen Weltmeisterinnen Lara Vadlau und Jolanta Ogar (ebenfalls 470er) sowie um die Vizeweltmeister Nico Delle Karth und Niko Resch im 49er. Segeln hat sich spätestens in diesem Jahrtausend als der olympische Sommersport in Österreich eta-bliert. Das spürt auch Schmid, der sagt: "Wir stecken zwar auch jeden Cent hinein, den wir privat haben. Aber wenn wir aufhören, werden wir zumindest keine Schulden haben. Früher haben etliche Leute ihre Karriere mit Schulden beendet."

Risiko und Vorsicht

Schmid und Reichstädter sind unterschiedliche Charaktere. "Mit dem Flo kann man nicht streiten", sagt Schmid, der sich selbst als "manchmal schon recht stur" beschreibt. Als Steuermann neigt er zum Risiko, Vorschoter Reichstädter ist eher vorsichtig. Das ergänzt sich gut, auf dem Wasser wie an Land. Vor Rio kann den Österreichern in Sachen Revierkenntnis kaum eine Nation das Wasser reichen. Sportdirektor Georg Fundak hat dafür gesorgt, dass die Teams seit 2012 mehrmals im Jahr in Brasilien trainieren konnten. Vom schmutzigen Wasser war oft die Rede. Schmid kann es "leider nicht selbst säubern", er redet auch deshalb lieber über die Gegend, die er vom Wasser aus sieht. "Phänomenal."

Zum Weltcupauftakt in Miami kamen Schmid/Reichstädter zuletzt auf Rang vier. In Buenos Aires steigt im Februar eine WM, spätestens danach geht' s nur noch um Rio. Über den Begriff "Spiele" macht sich Schmid seine eigenen Gedanken. "Olympia ist ja wirklich ein Spiel. Es geht darum, lange mitzuspielen und ruhig zu bleiben, sich nicht ärgern zu lassen. Die meisten Spiele werden nicht gewonnen, sondern von den anderen verloren." Im Segeln sei also "die Fehlerminimierung sehr wichtig". Bei ausreichender Minimierung in Rio wird man die Herren Schmid und Reichstädter vielleicht in einem Yachtclub sehen, mit einem Glas Champagner in der Hand. Ausnahmsweise. (Fritz Neumann, 2.2.2016)