Raus Castro und François Hollande verstehen sich

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Parallelen in ihrer revolutionären Geschichte orteten Raúl Castro und Ségolène Royal bei der Begrüßungszeremonie vor dem Arc de Triomphe in Paris.


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Kein Aufwand wurde gescheut, keine Kulisse war zu pompös, um den kubanischen Präsidenten Raúl Castro (84) gebührend an der Seine zu empfangen. Die Begrüßung erfolgte beim Triumphbogen mit Blick auf die Prachtavenue der Champs-Elysées, die mit zahllosen rotweißblauen Flaggen Kubas und Frankreich noch prächtiger geschmückt war.

Französischerseits fühlt man sich den Kubanern nicht nur farben-, sondern auch seelenverwandt: Schließlich blicken beide Länder auf eine glorreiche revolutionäre Geschichte zurück, wie Außenhandelsminister Matthias Fekl schon vor einem Jahr in Havanna erklärt hatte. Damals traf der französische Präsident François Hollande als erster westlicher Präsident seit der kubanisch-amerikanischen Öffnung Raúl und dessen greisen Bruder Fidel Castro (89).

Am Montag in Paris sprach Fekl kraft seines Amtes vor allem übers Geschäft. Er schloss mit der kubanischen Delegation mehrere Abkommen in den Bereich Tourismus, Eisenbahn und Entwicklung. Mit von der Partie waren auch die Vorsteher von Großkonzernen wie Bouygues (Hoch- und Tiefbau), Accor (Hotel), Orange (Telekom), Total (Energie), SNCF (Eisenbahn) – und dem Getränkekonzern Pernod-Ricard. Er produziert zusammen mit dem kubanischen Staat die weltweit drittgrößte Rum-Marke Havana Club. Sie soll der wichtigste wirklich in Kuba hergestellte Zuckerrohrschnaps sein.

Erster Partner

Ebenso bedeutsam sind Frankreichs Pläne mit Kuba: "Wir wollen sein erster politischer und Wirtschaftspartner werden", meinte ein Diplomat am Rand des Staatsbesuchs. Das mag etwas hochgegriffen klingen, ist doch Frankreich derzeit nur der zehnte Handelspartner Kubas. Paris setzt aber auf die geographische Nähe seiner Karibikgebiete Guadeloupe und Martinique.

Und politisch eben auf die Seelenverwandtschaft. Nach einem einstündigen Treffen mit Raúl Castro machte Hollande klar, das US-Embargo gehöre als "Relikt des Kalten Krieges" aufgehoben. Im Dezember hatte sich Paris schon für eine milliardenschwere Umschuldung durch die westlichen Gläubiger (ohne USA) eingesetzt; eine bilaterale Schuld Havannas wird in einen neuen Kredit von 212 Millionen Euro verwandelt. Auch damit will Paris, wie Le Figaro schreibt, "vermeiden, dass Kuba nach dem Fall der Blockade – wie in den fünfziger Jahren unter General Batista – wieder in die Machtsphäre der USA fällt".

Sehr tief hängt Frankreich umgekehrt die Menschenrechtsfrage. Kubanische Regimegegner erklärten zwar in Paris, die Repression des Regimes sei in den letzten Monaten noch stärker geworden und die Emigration Richtung USA – zum Teil über den Umweg Ecuador – nehme wieder zu; auch werde jede private Initiative, die über die Öffnung kleiner Friseur- oder Schuhmacherbetriebe hinausgehe, vom Regime weiter unterbunden. Die EU verhandelt mit Havanna seit 2014 über eine Annäherung. Raúl Castro sperrt sich gegen die Einräumung neuer Freiheiten. Er benötigt allerdings dringend neue Finanzmittel und Investitionen, seitdem Hauptpartner Venezuela selber in der Krise steckt.

Auch bei dem abendlichen Staatsbankett mit Raúl Castro sah Hollande großzügig über die chronischen Menschenrechtsverletzungen auf der Karibikinsel hinweg. Ein Präsidentenberater meinte gegenüber Journalisten nur, man werde "wachsam" bleiben. Das ist in etwa die unterste Schwelle diplomatischer Einflußnahme oder auch nur des Versuchs dazu. Diverse Pariser Medien üben deshalb Kritik an Hollandes absoluter Priorität für seine "Wirtschaftsdiplomatie". (Stefan Brändle aus Paris, 1.2.2016)