Der deutsche Comedian verfolgt stets auch politische Anliegen.


Foto: Manfred Baumann

Wien – Er ist zweifelsohne der Rockstar unter den deutschsprachigen Comedians. Das demonstriert der heuer 50 werdende Bayer nicht nur per Mikrofonständerhaltung im 45-Grad-Winkel und überdrehtem Luftgitarrengehampel. Schon die Ursprungserzählung hat mit dem breitenwirksamen Stadiongenre zu tun.

Sein Erweckungserlebnis hatte Michael Mittermeier nämlich, als er im zarten Knabenalter zu U2 auf die Bühne durfte. Sänger Bono zählt er heute zu seinen Freunden. Nur folgerichtig also, dass sich der Comedian in den vergangenen Jahren auch auf englischsprachigen Klein- und Großbühnen versuchte. Daneben engagierte er sich für Menschenrechte, im Speziellen für eine demokratische Entwicklung Burmas und die (erfolgreiche) Enthaftung des Comedians Zarganar.

Politisch beschreitet Mittermeier seit Anfangstagen im Quatsch-Comedy-Club jene Gratwanderung, die auch so mancher Stadionrocker auf sich nimmt: nur so offensichtlich links zu gehen, dass auch Bild- und Krone-Umblätterer bei der Stange bleiben. Dass diese am Ende der Show dann doch den einen oder anderen Gedanken des bekennenden Grünwählers mit nach Hause nehmen, gehört zur Strategie. Seit über 20 Jahren ist das so.

Nichts anderes hat Mittermeier auch mit seinem neuen Programm Wild im Sinn, das am Montag im Globe Österreich-Premiere hatte. Bis 5. Februar testet er auf der Niavarani-Bühne vor ausverkauftem Haus, danach geht es im Oktober in die Wiener Stadthalle, nach Graz, Linz und Salzburg.

Autofahren, Sex und "Star Wars"

Michael Mittermeier weiß, dass die Massen erst zu ködern sind, bevor hintenraus der Merksatz folgt. Ist mit Autofahren, Sex und ... ja ... Star Wars, der Boden erst bereitet, läuft alles wie geschmiert. Dann verzeihen ihm auch jene das Abdriften ins Politische, die die Vorstellung, wie zu Hause vor RTL und ATV geübt, nicht ohne Familientafel Marzipanschoko überstehen.

"Wo darf man denn heute noch wild sein?", fragt er, dem wir die erfolgreiche Diskreditierung der 90er-Todsünde "Arschgeweih" zu verdanken haben. Dass die Rede da schnell aufs Genital kommt, ist klar. "Wir sind ja auch in Österreich", sagt er und geht – von ein paar Zuspätkommenden inspiriert – routiniert zu den Unterschieden zwischen Deutschen, Bayern und Österreichern über.

Von der Archaik des Tirolerischen bis zum Burgenländerwitz liefert der Bierzeltantiheld alles, was das Regionalklischee zu bieten hat. Sichere Nummern, die man gerne nimmt. Denn irgendwo zwischen Klopapier, "in Oasch lecken" und Pornonostalgie ("Warum liegt hier Stroh?") taucht urplötzlich der politische, gar ernste Mittermeier auf.

Dann stellt er fest, dass er als Comedian des IS schon beim "Grüß Gott" den Kopf verlieren würde, Horst Seehofer sich als Besitzer einer Modelleisenbahn im Keller des Kriminals verdächtig macht und österreichische Kellerfreunde Flüchtlinge nicht nur nach Deutschland durchwinken, sondern auf Privatkosten sogar persönlich zur Grenze bringen. Das sitzt. Ebenso wie die Ösi-Posse um den "Pograpsch-Paragrafen". Dass Mittermeier das allerdings mit der Kölner Silvesternacht vergleicht und so auch Missstände verharmlost, bekommt im Saal wenigstens keiner mit. Köln was?

Appell an die Mitte

Stärkere Momente liefert der Entertainer bei der Nacherzählung politischer Fauxpas, die von der "Lügenpresse" sonst gerne verschwiegen werden: etwa von George Bushs missglücktem Shakehands in Albanien. Oder vom bayrischen Bürgermeister, der Barack Obama beim G7-Gipfel ohne Englischkenntnisse das Weißwurstessen beibringen musste.

Beim Thema Hasspostings gibt’s dann die Botschaft mit auf den Weg: Es sei okay sich wegen der Flüchtlingskrise zu sorgen, sagt Mittermeier. "Aber die Sorgen hören da auf, wo der Hass anfängt". Es gibt also auch Grenzen – beim Wildsein.

Den rechten Rand wird Michael Mittermeier mit seiner Botschaft wohl nicht erreichen. Dessen stille Sympathisantenschaft aus der Mitte der Gesellschaft aber allemal. Und damit ist schon viel gewonnen. (Stefan Weiss, 2.2.2016)