Das Grazer Straflandesgericht wurde für den Prozess gegen mutmaßliche Jihadisten in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt. Zuschauer und Journalisten mussten durch Sicherheitsschleusen.

Foto: APA / Erwin Scheriau

Graz – Damit die Sache für den Angeklagten klar sei: "Wenn Sie zwei Meter laufen, fallen Sie", warnt der Richter und blickt auf die schwer bewaffneten, vermummten Polizisten, die den Beschuldigten umringen. Er solle erst gar nicht überlegen, einen Fluchtversuch zu starten, bedeutet ihm der Vorsitzende. Dann nickt er den Beamten zu, die dem U-Häftling schließlich langsam die Handschellen lösen.

Es herrscht an diesem Dienstag, dem Auftakt einer Reihe von Verfahren gegen mutmaßliche Jihadisten, eine angespannte Atmosphäre im alten Schwurgerichtssaal des Grazer Straflandesgerichts. Links und rechts im Raum und auf der Galerie sind Spezialeinheiten mit Sturmmützen postiert, vor dem Gerichtsgebäude stehen Posten mit Sturmgewehren und schusssicheren Westen. Paris zeigt Wirkung.

Gerichtskiebitze bleiben heute weitgehend fern, Journalisten und Gäste müssen durch zwei Sicherheitschecks.

Spürhunde

Der Gerichtsaal wurde noch einmal mit Spürhunden auf Sprengstoff untersucht, ehe der Angeklagte den Saal unter Bewachung weiterer dreier Beamter, die Sturmhauben tragen, betritt.

Seine Stimme ist sanft, der Bart sehr lang. Er trägt eine graue weite Trainingshose mit grauem Sweater. Der gebürtige Bosnier habe der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) als Kämpfer beitreten und zudem einen Bekannten dorthin vermitteln wollen, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Fürs Strafgesetz: Der 50 Jahre alte gelernte Elektriker wird des Verbrechens der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation beschuldigt.

Er erklärt sich für nicht schuldig. Sein Verteidiger präzisiert gleich eingangs: "Es reicht nicht, eine kleine Spur zum Angeklagten zu haben, um ihm alle Gräueltaten des IS anzuhängen."

Es sei richtig, dass sich sein Mandant für den Krieg in Syrien interessiert und sich auch Material beschafft habe, aber konkrete Verbindungen habe es nicht gegeben, "nur Bekanntschaften".

"Faschistische Ideologie"

Der Staatsanwalt sieht das anders: Der Angeklagte sei Mitglied einer extremistischen Gruppierung gewesen, sozialisiert in radikalen Vereinen in Graz, mit guten Kontakten etwa zum Chefideologen der Szene, der Ende Februar auf der Anklagebank sitzen wird.

Der Staatsanwalt nutzt die Gelegenheit, um grundsätzlich vor den extremistischen Strömungen, "die längst hier sind", zu warnen. Die IS-Ideologie, der auch alle Angeklagten, die hier in den nächsten Wochen noch vor Gericht stehen werden, anhängten, sei "eine typisch faschistische Ideologie mit Führerkult". "Es geht hier um eine radikale Ablehnung der Demokratie. Die einzige Rechtsordnung, die akzeptiert wird, ist die Scharia", sagt der Ankläger.

Der Richter geht die Sache mit Bedacht an und lenkt den Angeklagten gesprächstherapeutisch zu den heiklen Stationen seines Lebens, in denen er, wie er selbst beteuert, "erleuchtet" wurde.

Zeuge Jehova

Aufgewachsen in der kommunistischen Tito-Zeit in Bosnien, sei er lange Zeit atheistisch geblieben. Als der Krieg ausbrach, sei er nach Graz geflüchtet.

In Österreich kam er nie wirklich an, er las plötzlich die Bibel, dockte bei den Zeugen Jehovas an, bis er im Deutschkurs neue Freunde fand. Und den Zugang zum Islam. Der Wendepunkt sei mit der Pilgerfahrt nach Mekka gekommen. Am Ende stand der Versuch, in Syrien als IS-Kämpfer zu leben, sagt die Staatsanwaltschaft.

Danach hatte ihn seine Frau aus der Wohnung geschmissen. Er war ihr zu radikal geworden. (Walter Müller, 2.2.2016)