Der Zustrom an Flüchtlingen aus der Türkei nach Griechenland geht unvermindert weiter. Seit Jahresanfang sind rund 50.000 Menschen von der Türkei aus per Boot auf eine griechische Insel gefahren, um von dort aus sofort Richtung Norden weiterzureisen. Verglichen mit Jänner 2015 ist die Zahl der illegalen Migranten damit um ein Vielfaches höher.

Diese aktuellen Zahlen wurden von der EU-Behörde Frontex am Dienstag bestätigt. Sie waren neben einem Bericht der EU-Kommission über die Tätigkeit der griechischen Regierung zur Sicherung der EU-Außengrenze unter anderem Basis für eine Aussprache im Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg mit dem zuständigen Innenkommissar Dimitrij Avramopoulos.

Echte Sicherung nicht erkennbar

Die Experten der Kommission, die das Land Ende vergangenen Jahres besucht und untersucht haben, kommen in dem bisher unter Verschluss gehaltenen Papier zu einem vernichtenden Urteil: Die Regierung in Athen vernachlässige "in gravierender Weise" ihre Pflicht zur Kontrolle der Grenzen. Eine echte Sicherung der See- und Landgrenzen sei nicht erkennbar. Wenn überhaupt, gehe es der Marine nur um die Rettung der Flüchtlinge, die in Booten an der griechischen Küste anlanden.

Rückführungen von Schiffbrüchigen in einen türkischen Hafen, wie das im internationalen Seerecht vorgesehen sei, fänden praktisch nicht statt. Aber auch bei der Versorgung der Flüchtlinge auf griechischem Boden beanstanden die Kommissionsprüfer schwere Mängel: So fehlten Scanner zum Abnehmen von Fingerabdrücken weitgehend. Zum Teil werde das händisch mit Papier und Tinte gemacht. Die Erfassung von Flüchtlingen werde über bis zu zehn Tage verzögert. Die Eingaben ins europäische Erfassungssystem entfielen oft.

Der 26-seitige Bericht listet auch das Fehlen der ausreichenden Zahl von Beamten etwa auf, was in Summe ein Ergebnis habe: Flüchtlinge "effektiv zu identifizieren und zu registrieren" finde nicht statt. Vergangene Woche kündigte Athen an, die fehlenden "Hotspots" – Aufnahmelager – nun binnen Wochen zu bauen.

Avramopoulos berichtete den Abgeordneten von Plänen der Mitgliedstaaten, nationale Grenzkontrollen auf bis zu zwei Jahre auszudehnen. Dies sei im Rahmen der Schengenregeln im EU-Vertrag möglich und könnte Mitte Mai in Kraft treten. Die niederländische Ratspräsidentschaft kündigte eine Initiative zur Rückführung von Asylwerbern an. (Thomas Mayer aus Straßburg, 2.2.2016)