Das Oberlandesgericht München beschäftigt sich derzeit mit folgendem Fall: Die Eltern eines Mädchens mit Trisomie 21 und einem Herzfehler haben ihre Frauenärzte verklagt. Sie verlangen Ersatz des Schadens, der ihnen durch die Unterhaltskosten für ihre behinderte Tochter entsteht, sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000 Euro.

Bereits im vergangenen Sommer hatte das Landgericht München die Klage der Frau in erster Instanz abgewiesen. Die Behinderungen des Mädchens seien durch eine Verkettung unglücklicher Umstände nicht erkannt worden. Gegen das Urteil hatte das Paar Berufung eingelegt.

Die damals 28 Jahre alte Mutter von drei Kindern war 2009 an multipler Sklerose (MS) erkrankt. Als sie 2010 wieder schwanger war, wollte sie mit den Ärzten mögliche Risiken für das Ungeborene durch die Medikamente abklären, die sie wegen ihrer MS-Erkrankung nehmen musste. Hätten sie von der Behinderung gewusst, so die Eltern, hätten sie die Schwangerschaft unterbrechen lassen.

Ultraschall nur begrenzt aussagekräftig

Die Mediziner hätten unter anderem von einer Fruchtwasseruntersuchung abgeraten und eine Ultraschalluntersuchung empfohlen, ohne darauf hinzuweisen, dass diese nur begrenzt aussagekräftig sei. Beim Downsyndrom sind entsprechende Auffälligkeiten nur in höchstens 70 Prozent der Fälle per Ultraschall feststellbar. Außerdem schränkten bei der Frau weitere Faktoren das Ergebnis bei dieser Art der Untersuchung ein.

Die beklagten Ärzte gaben hingegen an, sie hätten das Paar über die Möglichkeiten und Grenzen der vorgeburtlichen Diagnostik eingehend informiert, unter anderem darüber, dass größtmögliche Sicherheit nur eine Gewebeentnahme oder eine Fruchtwasseruntersuchung biete.

Gerichte müssen sich immer öfter mit möglichen Arztfehlern im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt befassen. Die Klagebereitschaft sei gestiegen, sagt Karl Oliver Kagan, Leiter der Abteilung für pränatale Medizin an der Universitäts-Frauenklinik Tübingen. Vor allem Rechtsstreitigkeiten aufgrund von Problemen bei der Geburt nähmen zu. Seltener seien Verurteilungen wegen unerkannter Behinderungen. Denn nur eine begrenzte Zahl von Fehlbildungen müsse nach der Betreuungsrichtlinie für schwangere Frauen pränatal erkannt werden. "Die Trisomie 21 gehört nicht dazu. Jedoch sollte die Patientin über ihr Risiko und die Abklärungsmöglichkeiten aufgeklärt werden."

Bei einer 28-jährigen Mutter wie in dem Münchner Fall liege das Risiko für Trisomie 21 etwa bei 1:1000 und sei damit nicht erhöht, sagte Kagan. Und: "Eine MS-Medikation hat keinen Einfluss auf das Entstehen einer Trisomie 21." (APA, 3.2.2016)