Sein unglaublich produktives Schaffen bescherte Michelangelo Arthrose. Zu diesem spekulativen Schluss kommen Mediziner nach der Analyse von Porträts des Meisters (hier von Jacopino del Conte, entstanden um 1535).

Foto: Wikimedia/ GEO / CC BY-SA 3.0

Rom/Wien – Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni, kurz: Michelangelo (1475-1564), hinterließ der Nachwelt Werke von unschätzbarer Bedeutung. Als einer der wichtigsten Künstler der Renaissance wirkt sein Einfluss auf die bildende Kunst bis heute nach, einige seiner Arbeiten zählen zu den berühmtesten der Welt. Auch sein schriftlicher Nachlass ist üppig: Neben hunderten Gedichten sind Notizen, Memoiren und Korrespondenz in solchem Umfang erhalten, dass Michelangelo wohl als der bestdokumentierte Künstler des 16. Jahrhunderts gelten kann.

Aus Briefen geht auch hervor, dass der Meister im fortschreitenden Alter an einer Gelenkerkrankung litt, die ihm große Schmerzen in den Händen – seinen wichtigsten Werkzeugen – bereitete. So lässt sich etwa der Korrespondenz mit seinem Neffen Leonardo aus den 1550ern entnehmen, er leide an Gicht und Nierensteinen. Das Schreiben fiel ihm zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben bereits sehr schwer.

Porträt statt Pathologie

In den folgenden Jahren dürften sich die Gelenkprobleme drastisch zugespitzt haben. Am Ende seines Lebens konnte er Briefe nur noch diktieren. Umso erstaunlicher ist, dass er buchstäblich bis zuletzt produktiv arbeitete: Zeitgenossen wollen ihn noch sechs Tage vor seinem Tod 1564 munter hämmern und meißeln gesehen haben. Woran kann der Meister also gelitten haben?

Ein italienisches Forscherteam um Davide Lazzeri von der Villa Salaria Klinik in Rom ging dieser Frage nach und griff dabei auf eine ungewöhnliche, freilich spekulative Methode zurück: Da ihnen die Behörden pathologische Untersuchungen an den Gebeinen untersagten, wendeten die Mediziner "bildgebende Diagnostik" an – mittels zeitgenössischer Porträtbilder, die Michelangelo und vor allem auch seine Hände zeigen.

Hinweise auf Gelenkverschleiß

Wie die Forscher im "Journal of the Royal Society of Medicine" berichten, verändert sich die Darstellung im Lauf der Zeit deutlich: Auf späteren Gemälden sind demnach eindeutig Deformationen der Hand- und Fingergelenke zu erkennen. Die zu Michelangelos Lebzeiten diagnostizierte Gicht sei aber eher auszuschließen: Dem Aussehen nach handelt es sich nämlich um keine entzündliche Erkrankung, auch typische Ablagerungen fehlen.

Wahrscheinlicher sei eine Arthrose, also ein Gelenkverschleiß, der mit Deformationen und Schmerzen einhergeht. Paradoxerweise könnte das intensive Schaffen des Künstlers dabei Fluch und Segen zugleich gewesen sein: Die Forscher mutmaßen, dass vor allem die langjährige Bildhauerei den Verschleiß verursachte. Ein Arbeitsstopp und damit das Ende der Überbelastung hätte das Schmerzempfinden ab einem gewissen Zeitpunkt allerdings sogar noch beschleunigt und die Hände steif werden lassen. (David Rennert, 4.2.2016)