Genf – Wenige Stunden nach der Aussetzung der Genfer Friedensgespräche hat der Westen die syrische Führung und ihren russischen Verbündeten dafür mitverantwortlich gemacht. Es sei offensichtlich, dass Syrien und Russland eine militärische Lösung des Konflikts einer politischen vorzögen, sagte US-Außenminister John Kerry am Mittwoch. Sein französischer Kollege Laurent Fabius sprach von einer "brutalen Offensive" der syrischen Regierungstruppen "mit der Unterstützung Russlands".

Kerry forderte "das Regime und seine Unterstützer" auf, das Bombardement der Opposition, vor allem in Aleppo, zu beenden. Während der dreiwöchigen Unterbrechung der Friedensgespräche in Genf dürfe es für "die Welt nur eine Richtung geben", erklärte Kerry: "die Unterdrückung und das Leid des syrischen Volkes zu stoppen und diesen Konflikt zu beenden und nicht zu verlängern".

Geteiltes Aleppo

Das Ziel der Angriffe sei, "Aleppo und seine hunderttausenden Einwohnern einzukesseln und zu ersticken", sagte Fabius am Mittwochabend. Die syrische Armee war am Mittwoch weiter auf Aleppo vorgerückt und kappte nach Militärangaben die letzte Versorgungsroute der Rebellen von der Stadt zur türkischen Grenze. Die Metropole Aleppo selbst ist geteilt: Den Westen kontrollieren Regierungstruppen, den Osten die Rebellen.

Frankreich unterstützt laut Fabius die Entscheidung des UN-Vermittlers Staffan de Mistura, die Syrien-Gespräche zu vertagen. Weder die Regierung von Präsident Bashar al-Assad noch seine "Unterstützer" hätten sich wirklich an den Verhandlungen beteiligt. Stattdessen hätten sie die Friedensbemühungen mit ihrem Vorgehen "torpediert".

Auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier machte Syrien für die Aussetzung der Friedensgespräche mitverantwortlich. Die Armeeoffensive bei Aleppo und die fehlende Bereitschaft, humanitäre Helfer in die belagerten Städten und Dörfern zu lassen, habe die Gespräche "sehr belastet", sagte Steinmeier in Saudi-Arabien. Es gebe "keine Alternative" zum Wiener Prozess und zu den Genfer Verhandlungen für eine politische Lösung.

Dreiwöchige Unterbrechung

Der UN-Syrienbeauftragte de Mistura hatte am Mittwoch verkündet, dass die Gespräche unter Vermittlung der Uno bis zum 25. Februar "vorübergehend unterbrochen" seien. De Mistura hatte seit Freitag in getrennten Treffen mit Vertretern der syrischen Regierung und ihrer Gegner versucht, die indirekten Verhandlungen zur Beendigung des Bürgerkriegs zum Laufen zu bringen.

Syriens wichtigste Oppositionsgruppe will sich erst wieder an den Gesprächen beteiligen, wenn ihre Forderungen erfüllt sind. Die Delegation des Hohen Verhandlungskomitees (HNC) werde nur nach Genf zurückkehren, wenn ihre "humanitären Forderungen" erfüllt seien oder wenn es vor Ort "konkrete" Fortschritte gebe, sagte der HNC-Koordinator Riad Hidschab.

Die Opposition war erst am Montag mit großen Vorbehalten in die Gespräche eingestiegen. Das HNC verlangte bereits vor Verhandlungsbeginn humanitären Zugang zu allen von Regierungssoldaten belagerten Städten, die Freilassung tausender Gefangener und ein Ende der Luftangriffe auf Zivilisten seitens der syrischen und russischen Armee.

Schuldzuweisungen

Der Leiter der Regierungsdelegation, Syriens UN-Botschafter Bashar al-Jafaari, gab dagegen der Opposition und ihren "Vorbedingungen" die Schuld für die Vertagung. Seit ihrer Ankunft in Genf habe sich die HNC-Delegation geweigert, "ernsthafte Gespräche" mit dem UN-Vermittler zu führen, sagte al-Jafaari laut der amtlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana.

In dem Konflikt sind seit März 2011 rund 260.000 Menschen getötet worden. Grundlage der Genfer Gespräche ist eine UN-Resolution vom Dezember, die einen mehrstufigen Zeitplan zur Beendigung des Konflikts vorsieht, an dessen Ende eine Übergangsregierung stehen soll.

Geberkonferenz in London

Vertreter von Staaten und Hilfsorganisationen kommen unterdessen am Donnerstag in London zur vierten internationalen Geberkonferenz für Syrien zusammen. Ziel ist es, Geld für Hilfsmaßnahmen in dem Bürgerkriegsland und den Nachbarstaaten zu sammeln. Hilfsorganisationen hoffen auf neun Milliarden Dollar (8,2 Milliarden Euro), um der Bevölkerung in Syrien und den Flüchtlingen zu helfen. Österreich steuert die schon im Vorjahr versprochenen 60 Millionen Euro bei. Bundeskanzler Werner Faymann gehört zu den Teilnehmern der Konferenz, zu der Vertreter aus 70 Nationen erwartet werden. (APA, 3.2.2016)