Es sind viele Ursachen, die Stanford seine Exzellenz verleihen. Die Entwicklung begann in den 70ern, als die Bay Area zum Brennpunkt neuer Technologien wurde, die ein intellektuelles Zentrum und eine Nachwuchsschmiede brauchte.

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Stanford ist für seine 30 Nobelpreisträger bekannt, für wissenschaftliche, aber auch für sportliche Höchstleistungen. Die Cardinals zählen zu den besten College-Footballteams der USA, und bei der letzten Sommerolympiade gewannen zwölf Sportler aus Stanford Goldmedaillen. Deutschland gewann nur elf. Aber: Andere Unis sind sportlich auch erfolgreich, und einige von ihnen beschäftigen mehr Nobelpreisträger (zum Beispiel Harvard).

Das Silicon Valley nebenan

Was Stanford wirklich einzigartig macht, ist die enge Verbindung mit der IT-Start-up-Szene im Silicon Valley. Den Anfang machten Bill Hewlett und David Packard 1939, die HP mit einem Eigenkapital von 538 Dollar gründeten. Sie waren Stanford-Absolventen, später Stanford-Mäzene, und die HP-Zentrale ist nach wie vor in Palo Alto in Gehdistanz des Campus. Dann kamen Larry Page und Sergej Brin, die Google-Gründer, und der Mythos Stanford gewann an Momentum. Yahoo, Cisco Systems, Sun Microsystems, Ebay, Netflix, Electronic Arts, Intuit und Lin kedIn zählen zu den mehr als 5000 Unternehmensgründungen, auf die Stanford stolz verweist. Jüngst wurden Snapchat und Instagram dort zur Marktreife entwickelt.

Der Knackpunkt in den 70ern

2012 schrieb Ken Auletta im New Yorker über Stanford mit dem vielsagenden Titel: "Get Rich U.": "Wenn die Ivy League Universitäten der Ostküste die Brutstätte der Eliten des amerikanischen Jahrhunderts waren, so ist Stanford die Farm für das Silicon Valley." Bis in die 1970er-Jahre hinein war Stanford eher eine mittelmäßige Universität, die bloß in den Ingenieurswissenschaften ihre Stärken hatte. Dann passierten zwei Dinge, sagt der Soziologieprofessor Woody Powell: Zum einen begannen sich Nord- und Südkalifornien auseinanderzuentwickeln, und der Norden, insbesondere die Bay Area, wurde zum Brennpunkt neuer Technologien, der ein intellektuelles Zentrum und eine Nachwuchsschmiede brauchte. Zum Zweiten gab es genau zu der Zeit mutige Universitätspräsidenten, die Spitzenwissenschafter gezielt anwarben.

Eher MIT als Harvard

Ausschlaggebend für die Entwicklung Stanfords zur Top-Uni waren die fünf "Professional Schools": Medical, Engineering, Business, Law, Education – und nicht die klassischen Human- und Naturwissenschaften, die auf der anderen Seite der San Francisco Bay in Berkeley stärker sind. Insofern, meint Powell, wäre es auch nicht treffend, Stanford mit Harvard, Yale oder Berkeley zu vergleichen. Man sollte Stanford eher mit dem MIT (Massachusetts Institute of Technology) in Boston und dem Caltech in Pasadena (California Institute of Technology) vergleichen. Die Diskussion über Rankings in diesen Dimensionen ist freilich aus österreichischer Sicht müßig. Spannender ist, worauf der Aufstieg Stanfords in die Topliga zurückgeführt wird.

Fünf Punkte, die Stanford Exzellenz verleihen

Es sind, wie so oft, viele Ursachen. Erstens mutige und hingebungsvolle Führungskräfte (Presidents, Provosts): Der seit 2000 amtierende Präsident John Hennessy etwa hat nach der Finanzkrise, als die Einnahmen aus den Endowments bei allen Spitzenuniversitäten dramatisch einbrachen, sein Gehalt um zehn Prozent reduziert.

Zweitens gelebte Interdisziplinarität: Nur 40 Prozent der Kurse, die Undergraduates belegen, sind Kurse ihrer "Schule". Wer Recht studiert, macht mehr als die Hälfte seiner Prüfungen in ganz anderen Disziplinen. Die meisten Professoren haben Mehrfachzuordnungen. Bei Executive-MBA-Programm ist nur ein Bruchteil der Fächer an der Business School zu belegen. Den permanenten Rechtfertigungszwang der Disziplinen gibt es hier viel weniger.

Die Wahlfreiheit weist auf den dritten Erfolgsfaktor hin: Studierende werden ernst genommen. Man verlangt von ihnen hohen Einsatz, aber man bevormundet sie nicht.

Viertens, eine klare Mission: "Die Luft der Freiheit weht." Diese Aussage des Luther-Gefährten Ulrich von Hutten hat dem Gründungspräsidenten David Starr Jordan und dem Gründer Amasa Leland Stanford so gut gefallen, dass sie sie als Leitspruch der Stanford University verewigt haben. Von Beginn an waren Freiheit, Chancengleichheit und Gerechtigkeit in der Kultur verankert. So nahm Stanford gleich Frauen auf, obwohl dies Ende des 19. Jahrhunderts vollkommen unüblich war.

Fünftens ein absolutes Bekenntnis zu Innovation und Spitzenleistung – im Zweifel für Innovation: "Frag niemals um Erlaubnis, aber bitte gegebenenfalls um Verzeihung" – so nennt das Woody Powell.