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Die Entwicklung immer intelligenterer Maschinen und Computer verändert die Arbeitswelt radikal. Welche Jobs künftig Bestand haben werden, welche nicht – und wie die Politik auf die neue technologische Revolution reagieren müsse: Das wurde vergangene Woche im Haus der Industrie in Wien diskutiert. Anlass war die Veröffentlichung der Arena-Analyse mit dem Titel "Neue Arbeitswelt". Für sie wurden 58 Expertinnen und Experten befragt.

Kaum ein Job nicht betroffen

Schätzungen, wie viele Jobs der Digitalisierung und Automatisierung zum Opfer fallen werden, kommen auf etwa 50 Prozent. Walter Osztovics von Kovar & Partners, Koautor der Arena-Studie, ist vorsichtiger: "Es wird kaum Berufe geben, die zur Gänze automatisiert werden. Aber gleichzeitig kaum einen, der nicht betroffen sein wird." Der Arzt könnte sich so künftig etwa das Erstellen von Prognosen von Automaten erledigen lassen. Oder der Journalist das Schreiben einfacher Berichte.

Rudolf Hundstorfer, Sozialminister a.D. verabschiedete sich nach einer kurzen Ansprache in den Bundespräsidentschaftswahlkampf und überließ Jochen Preiss seinen Podiumsplatz.
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Auch die Hotelbranche sei durch die Digitalisierung vor allem im Verkauf ein gänzlich anderes Geschäft geworden. Im Internet könne man Hotels längst digital bewerten, gleichzeitig hätten traditionelle Anbieter Konkurrenz durch die Sharing Economy bekommen, weiß Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung. "Die Arbeit hat nicht mehr viel damit zu tun, was man sich vorstellt." Trotzdem werde es immer Menschen brauchen, sie werden Maschinen bedienen müssen und mit ihnen zusammenarbeiten.

Steigende Anforderungen

Wenn technologische Neuerungen also Tätigkeitsfelder völlig verändern, wenn Maschinen und Computer als Fixbestandteile Einzug halten: Was wird dann alles vom Arbeitnehmer verlangt werden? Werden alle mithalten können? "Es gibt einerseits die Anforderung: Möglichst breit, möglichst flexibel – weil Menschen mehrmals im Leben ihren Beruf wechseln müssen – gleichzeitig aber auch die Anforderung: möglichst spezifisch", sagt Osztovics.

Walter Osztovics von Kovar & Partners: "Es wird kaum Berufe geben, die zur Gänze automatisiert werden. Aber gleichzeitig kaum einen, der nicht betroffen sein wird."
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Merkmal aller am Arbeitsmarkt bevorstehenden Veränderungen sei, dass sich die Anforderungen an Qualifikationen erhöhen. "Es gibt schon jetzt kaum mehr unqualifizierte Jobs." Das sei auch die Ursache dafür, dass eine gewisse Menschengruppe aus dem Arbeitsmarkt herausfalle, sagt auch Jochen Preiss, Exgeneralsekretär des Sozialministers Rudolf Hundstorfer, der diesen auf dem Podium vertrat. "Die Hälfte der Arbeitslosen hat gerade einmal die abgeschlossene Schulpflicht." Die Antwort auf aktuelle Veränderungen könne deshalb nur mehr Bildung lauten.

Es müsse über neue zeitgemäße Lehrberufe nach gedacht werden, sagt Reitterer. "Auch in den Schulen wird nicht das gelehrt, was man in der Praxis braucht. Wir sind deshalb schon dazu übergegangen, unsere Leute selbst auszubilden."

Neue Rahmen notwendig

Technologien krempelten aber nicht nur traditionelle Tätigkeitsfelder um – sie brachten auch Onlineplattformen hervor, auf denen Freelancer ihre Dienste anbieten und pro Auftrag angeheuert werden. Dafür hat sich der Name "Gig Economy" durchgesetzt. Wie Musiker, die sich mit einzelnen Auftritten ("Gigs") über Wasser halten, arbeiten auch die neuen Freiberufler auf eigenes Risiko, haben keine geregelten Arbeitszeiten, keinen Urlaubsanspruch, und sie sind sozial schlecht abgesichert.

Es brauche neue, zeitgemäße Lehrberufe, sagt Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung.

"Mit unseren nationalen Regelungen tun wir uns momentan schwer, das zu fassen", konstatiert Walter Osztovics. Notwendig würden neue arbeitsrechtliche und steuerrechtliche Rahmen, die die neuen Freiberufler nicht der Willkür der Gig Economy überlassen. "Wir müssen auch besser werden, was Beratung betrifft", sagt Preiss, "Lohn- und Sozialdumping bekämpfen."

Wenn nun prekäre Arbeitsformen und Arbeitslosigkeit zunehmen, stelle sich schließlich auch die Frage, wer künftig den Sozialstaat finanzieren wird: "Heute ist das noch der Mensch, aber wer ist das morgen?", sagt Preiss. Runtergefahren gehöre die Finanzierung über Arbeit, gefunden werden müssten andere Besteuerungsgegenstände. Eine Vermögenssubstanzbesteuerung bringe "vielleicht drei bis vier von zehn Milliarden, die wir brauchen." Diskutiert werde derzeit auch eine Wertschöpfungsabgabe.

Reitterer plädiert dafür, durch ein "investitionsfreundliches Klima" die Wirtschaft anzukurbeln und so neue Jobs zu schaffen.

Der Tenor am Podium: Aktuelle Entwicklungen in Richtung Automatisierung und Digitalisierung können nicht gestoppt – und müssten daher aktiv mitgestaltet werden.
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Wandel mitgestalten

Ob die aktuellen Entwicklungen nun gut oder schlecht seien, wollten die Podiumsgäste nicht beurteilen. Keinesfalls jedoch, so der Tenor, könnten sie gestoppt werden. Es gelte daher, den Wandel bewusst zu gestalten, alle Menschen bestmöglich zu bilden und auszubilden. Und aufzupassen, dass die Gesellschaft nicht auseinanderfällt. (Lisa Breit, 5.2.2016)