Graz – Es gibt angenehmere Vormittage. Im abgedunkelten großen Verhandlungssaal des Grazer Straflandesgerichts lässt der Richter am Donnerstag einen IS-Propagandafilm abspielen. Zwischendurch switcht er auf andere Sequenzen, in denen schwere Kampfhandlungen dokumentiert und über den Gerichtsbildschirm dem Angeklagten vorgespielt werden.

Warum er sich das alles, all diese Gewaltvideos, angeschaut habe, fragt der Richter. Nur damit er Arabisch lerne, wie von ihm behauptet? Das auch, ja, aber er habe sich informieren wollen, was da unten in Syrien so läuft. Interessehalber halt. Das Filmmaterial wurde bei Hausdurchsuchungen beim 50 Jahre alten Angeklagten, der seit Wochenbeginn hier in Graz vor Gericht sitzt, gefunden.

Dem gebürtigen Bosnier wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, dass er der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) beitreten und weitere Mitglieder rekrutieren wollte.

"Ungläubige"

Jenen Bekannten, den er von der Boxgruppe im Religionsverein kennt und den er laut Anklage zum IS vermittelt haben soll, kenne er als "ruhigen, sehr aufmerksamen Menschen", den er oft kontaktiert habe. Dieser Freund ist nun auf diesem Propagandavideo zu sehen, das der Richter abspielt. Ja, wenn der Film nicht manipuliert worden sei, erkenne er ihn wieder, sagt der Angeklagte.

Er wird mit den Aussagen im Film konfrontiert, wonach etwa "Ungläubige" getötet werden sollen. Ob er sich damit identifiziere, fragt der Richter. Der Beschuldigte zieht die Schultern zu einer abwehrenden Geste hoch. Jeder Muslim sei "für seinen Weg" selbst verantwortlich. "Was hab ich damit zu tun? Was fragen Sie mich solche Sachen? Hab ich jemanden angegriffen?", fragt er zurück.

Und plötzlich wird der Ton rauer und lauter. "Ich bin nicht IS. Warum sagen Sie das dauernd? Was für einen Beweis haben Sie?", ruft der Angeklagte zum schräg vor ihm sitzenden Staatsanwalt hinüber. Sich selbst definiert der Mann schlicht als Muslim. "Ich bin ein normaler Muslim." Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. (mue, 4.2.2016)