Protest in Miskolc, wo der Widerstand gegen Orbáns Schulreform seinen Anfang nahm.

Foto: Laszlo Balogh

5.000 Menschen haben am Mittwochabend in der nordungarischen Stadt Miskolc gegen die aus ihrer Sicht desaströse Schulpolitik der Regierung demonstriert. Trotz strömenden Regens kamen auch in Budapest und in neun weiteren Städten des Landes jeweils mehrere Hundert Schüler, Lehrer und Eltern zusammen. Auch sie artikulierten ihren Unmut über die seit fünf Jahren laufende Zentralisierung, Ideologisierung und Qualitätsausdünnung im Schulwesen.

Der seit 2010 regierende Rechtspopulist Viktor Orbán hatte das Bildungssystem von Anfang an zu einem zentralen Politikfeld erkoren. Zunächst zog Bildungsstaatssekretärin Rózsa Hoffmann die Reformen durch. Die Schulhoheit der Städte und Gemeinden wurde abgeschafft, die Lehrfreiheit eingeschränkt, die Auswahl an Lehrbüchern dezimiert. Nur ein Teil der Lehrer bekam – wie es ursprünglich allen Pädagogen versprochen war – etwas mehr Lohn. Dafür wurden ihnen neue bürokratische Pflichten und ein Mehr an schikanösen Inspektionen aufgebürdet. Quasi zwangsweise mussten sie dem von der Regierung kontrollierten "Pädagogen-Korps" beitreten. Ein neu geschaffenes Amt, das Klebelsberg-Zentrum (Klik), entscheidet nicht nur über zentrale Lehrpläne, sondern auch über Personal und Anschaffungen jeder einzelnen Schule.

Das neue System funktioniert dem Vernehmen nach dermaßen schlecht, dass der normale Schulbetrieb in Gefahr gerät. In manchen Schulen fehlt es selbst an Kreide.

Reform ohne Vorteile

Selbst das Institut für Unterrichtsforschung und -entwicklung (OFI) attestierte neulich dem neuen System ein Scheitern. Die EU-weit beispiellose Zentralisierung habe keine Vorteile gebracht, stellten ministerielle Fachprüfer fest. Die übertriebene Bürokratie und die Abschaffung der Schulautonomie lähmten den Betrieb.

Trotz notorisch schlechter Bezahlung und widriger Arbeitsbedingungen nehmen viele Pädagogen in Ungarn ihre Aufgabe ernst. Anfang Jänner formulierte der Lehrkörper des renommierten Ottó-Herman-Gymnasiums in Miskolc eine Petition, der sich innerhalb weniger Tage 30.000 Schüler, Lehrer und Sympathisanten anschlossen.

Die Orbán-Regierung versuchte, in autoritärer Manier die Demonstrationen zu schwächen. An neuralgischen Orten wurden exakt zur Zeit der Kundgebungen Lehrerkonferenzen des Bezirksinspektorats einberufen. Die von der Orbán-Partei regierte Stadt Miskolc drohte den Kindergärtnerinnen mit Konsequenzen, falls sie zur Demonstration gingen.

Am Donnerstag zeigte sich Orbáns rechte Hand, Kanzleramtsminister János Lázár, uneinsichtig: "Es ist das Privileg des Staates, Trägerorganisationen zu betreiben", erklärte er auf seiner wöchentlichen Pressekonferenz. "Das Klik und seine Existenz stehen nicht zur Disposition." (Gregor Mayer aus Budapest, 4.2.2016)