Die ersten Vorstellungsrunden wären gelaufen, die ersten Umfragen eingeholt, und zunehmend risikoscheue Meinungsforscher lassen wissen, alles wäre möglich. Ginge es ausschließlich nach der an den Tag gelegten Begeisterung für eine Tätigkeit in der Hofburg, dann müsste die aus der Steiermark vorgeschobene Kandidatin den Job zugesprochen bekommen. Alle anderen Kandidaten, Außenseiter einmal beiseitegelassen, ließen sich ihre Nominierung mehr oder weniger ächzend gefallen – Van der Bellen und Rudolf Hundstorfer – oder treten als zweite Wahl ihrer Parteispitzen an – Norbert Hofer und Andreas Khol. Und wie vor jeder Wahl eines Bundespräsidenten stellt sich reflexartig die Debatte über die Sinnhaftigkeit des Amtes, entweder überhaupt oder in seiner gegenwärtigen Form, ein, obwohl ihr rasches Abflauen, sobald eine Entscheidung gefallen ist, nach einigen Jahrzehnten klarmachen sollte, dass es sich dabei offenkundig um kein dringendes staatspolitisches Bedürfnis handelt.

Schon eher schimmert hinter diesbezüglichen Vorschlägen die in Österreich weitverbreitete Sehnsucht nach einem starken Mann. Meist geht es dabei darum, den Bundespräsidenten mit irgendwelchen Ermächtigungen oder Vetorechten auszustatten und so seine Macht gegenüber den Parteien zu stärken. Neu ist diesmal, dass es sich dabei nicht nur um das übliche Gegrummel handelt, sondern dass sich ein Kandidat zur Wahl stellt, der dezidiert etwas grundsätzlich anderes will, nämlich eine Zusammenlegung von Bundeskanzler und Bundespräsident. Dass in einem Aufwaschen nicht auch gleich der Präsident des Nationalrates in dieses Paket eingebunden werden soll, mag Anhängern eines freiheitlichen Führerkults als die eine Schwäche erscheinen. Die andere besteht darin, dass ein solcher Präsidentenkanzler für einen Norbert Hofer wohl eine Nummer zu groß, für einen H.-C. Strache gerade groß genug wäre, um Herbert Kickls Fantasien zu realisieren. Kandidaten der anderen Parteien wird der sich in dieser blauen Traumrolle wohl kaum wünschen.

Gewöhnlich versuchen die Parteien bei einer Bundespräsidentenwahl hinter ihren Kandidaten ein wenig zurückzutreten, um dessen Persönlichkeit als Anreiz erscheinen zu lassen. Umgekehrt geben sich die Kandidaten als weichgespülte Produkte der Politik, von denen zugunsten des allgemein Menschlichen jede Neigung zur Parteinahme abgefallen ist, mit der sie jahrzehntelang beschäftigt waren. Das erfordert gelegentlich Verrenkungen, die an jener Standfestigkeit zweifeln lassen, die als Grundtugend jedes Bundespräsidenten eingefordert wird. Etwa wenn der FPÖ-Kandidat nun Österreich als neutrales Land, vermittelnd im Sinne Kreiskys, sieht oder Khol die Neutralität, die er schon einmal in der kaiserlichen Schatzkammer deponiert wissen wollte, nun als "kostbare und gute Sache" hervorholt.

Auch wenn es bei dieser Wahl nicht nur um Sozialdemokratie gegen Volkspartei geht, fehlen Aspekte eines Lagerwahlkampfes nicht. Drei Bewerber/-innen aus dem konservativen bis rechten Lager stehen zwei aus dem linken und grünen Lager gegenüber. Persönlichkeit allein wird nicht entscheiden. (Günter Traxler, 4.2.2016)