Da versucht David, es mit der Schwester von Goliath aufzunehmen. So – sinngemäß – stichelten amerikanische Kommentatoren noch vor Monaten, wenn es um Bernie Sanders ging. Chancenlos sei der Senator aus dem Neuengland-Staat Vermont gegen Hillary Clinton, sagten sie.

Mittlerweile ist vielen der Spott vergangen. Denn Sanders hat gute Chancen, nach dem Kopf-an-Kopf-Rennen in Iowa die Primary in New Hampshire zu gewinnen und die Favoritin im Wettstreit um die Kandidatur der Demokraten damit in Zugzwang zu bringen. Hatten beide persönliche Angriffe bisher eher vermieden, so bliesen sie in der Nacht zum Freitag, während einer Fernsehdebatte des Senders MSNBC, zur Attacke.

MSNBC

Nach Sanders' Skizze ist Clinton eine feste Größe des Establishments, die zum einen die Sorgen der kleinen Leute nicht mehr verstehe und zum anderen zu eng verbandelt sei mit den Geldjongleuren der Wall Street. 2013 ließ sich die frühere Außenministerin drei Auftritte bei der Investmentbank Goldman Sachs mit 675.000 Dollar bezahlen. Kaum ausgeschieden aus dem State Department, verdiente sie damals Millionen, indem sie fürstlich honorierte Reden hielt.

Heute ist es ihre Achillesferse, gerade im Streit mit einem Rivalen wie Sanders, der stolz betont, dass er seinen Wahlkampf vornehmlich aus Kleinspenden finanziert. Eine Graswurzelbewegung gegen Hillarys Wall-Street-Seilschaften, ließe sich der Tenor seiner Offensive zusammenfassen.

"Schmierenkampagne"

"Ich denke, es ist an der Zeit, dass Sie diese hinterlistige Schmierenkampagne beenden", verwahrte sich nun die Noch-Favoritin gegen den Vorwurf, sie lese der Finanzindustrie jeden Wunsch von den Lippen ab. Mit keinem Beispiel lasse sich belegen, dass sie aufgrund einer Spende ihre Meinung geändert habe. Darauf Sanders: "Lassen Sie uns darüber reden, warum in den Neunzigerjahren die Finanzbranche dereguliert worden ist. Hat das gar nichts zu tun mit der Tatsache, dass die Wall Street Milliarden für Lobbyisten und Wahlkampfzuwendungen ausgab?"

Damals war Bill Clinton Präsident, sein Finanzminister Robert Rubin war von Goldman Sachs gekommen, 1999 kassierte der Kongress den Glass-Steagall Act, jenes 1933 im Zuge von Börsencrash beschlossene Gesetz, das eine Trennung des Bankgeschäfts vom riskanteren Investment-Banking vorschrieb. Unter einer Präsidentin Clinton, glaubt Sanders, könnte sich das Kapitel wiederholen.

Bernie Sanders und Hillary Clinton sind oft nicht einer Meinung.
Foto: AFP/JEWEL SAMAD

Unter einem Präsidenten Sanders, suggeriert wiederum die Ex-Ministerin, würden nichts als Luftschlösser gebaut. Der 74-Jährige fordert eine "politische Revolution", was eher darauf hinausläuft, sich an den Sozialprogrammen von Franklin D. Roosevelts "New Deal" und Konzepten der europäischen Sozialdemokratie zu orientieren. Er fordert kostenlose Ausbildung an staatlichen Universitäten und ein Gesundheitssystem, das alle abdeckt. Die Mehrausgaben soll der Fiskus aus höheren Steuereinnahmen bestreiten.

Vorwurf der Realitätsferne

Ein solches Programm sei nur ein schöner Traum, warnt Clinton. In einem Parlament, aus dem man sich die Republikaner ja nicht wegwünschen könne, würde Sanders' Blaupause zwangsläufig scheitern. Sie dagegen: kleine Schritte, zäher Fortschritt. Der Clinton'sche Slogan dazu lautet: "Eine Progressive, die Dinge erledigt kriegt." (Frank Herrmann aus Washington, 5.2.2016)